Schattenherz
die Führung übernahmen.
Drei Flammenweber verteilten sich unmittelbar vor der Mauer auf einer Linie und stimmten einen leisen
Sprechgesang an. Iome konnte sie deutlich hören, denn ihr Sprechgesang war ein Lied von Feuer und Zerstörung, vom flackernden Geräusch der Flammen, dem Knistern eines Scheites.
Plötzlich gerieten rings um jeden von ihnen Gras und Gestrüpp in Brand. Grüne Flammen schossen himmelwärts und hüllten die Flammenweber ein. Iome roch Asche, spürte die Hitze des Feuers. Sie begannen, gegen das Dorf vorzurücken und erklommen die niedrige Steinmauer.
Nun bemerkten die Hunde in der Stadt sie, und mehrere von ihnen fingen an zu bellen. Ein Pferd wieherte nervös. Noch immer schlug niemand Alarm.
Die Flammenweber sprangen über die Mauer. Mittlerweile waren die Feuer hinter ihnen beträchtlich angewachsen, so daß Iome die Zauberer von hinter einer Flammenwand betrachtete.
Rings um die Stadtmauer hatte die Spätsommersonne das Gras gebleicht und ihm alle Feuchtigkeit entzogen.
Der Flammenweber links außen deutete nach links, und eine Feuerranke schoß aus seiner Hand hervor und raste schneller um die Mauer, als ein Pferd laufen konnte. Der Flammenweber zur Rechten folgte seinem Beispiel. In Sekundenschnelle trafen die beiden Feuerblitze auf der gegenüberliegenden Seite des Städtchens aufeinander, das somit vom Feuer eingekreist war.
Dann sprang das Feuer himmelwärts und begann sich rasch zur Kreismitte hin auszuweiten.
Eine Frau schrie auf und rannte entsetzt um sich blickend aus ihrem Haus am Rand der Siedlung. Nach und nach folgten ihr immer mehr Menschen und kamen aus ihren Häusern hervor – Kinder und Mütter. Einige Pferde traten ihr Gatter nieder und liefen nervös bockend in der Stadt umher.
Jetzt näherten sich die Flammenweber dem Dorf. Das
wachsende Inferno speiste sie, verlieh ihnen Kraft. Einer von ihnen deutete auf eine große Scheune, und die Binsen auf ihrem Dach fingen Feuer, schienen geradezu zu explodieren.
Sekunden später näherte sich einer seiner Begleiter einem Haus, jagte einen gedrehten Flammenstrang in dessen Richtung, so daß sein Dach und das gesamte Holz mit einem Schlag verbrannte. Die Hitze hätte Iome um ein Haar versengt.
Menschen schrien im Innern des Hauses, und ein beleibter Stadtbewohner kam, an Haar und Kleidern brennend, ins Freie gestürzt. Eine Frau und ihr Sohn stürmten nach draußen, der Junge mit einem Schild in der Hand. Die Flammen spiegelten sich in seinen Augen und der Rüstung. Vom Feuer angestrahlter Rauch beleuchtete die Szene.
Scharfer Rauch stieg Iome in die Nase.
Dann brach in dem gesamten Städtchen die Hölle los, und die Flammen schlugen züngelnd ein-, zweihundert Fuß hoch in den Himmel. Der Gesang der Flammenweber wurde lauter, als sie in dieses Inferno hineinmarschierten und selbst zu glühenden Lichtwürmern wurden, die sich an den sterbenden Dorfbewohnern vorbeiwanden.
»Sie opfern diese Menschen der Macht, der sie dienen«, stellte Binnesman entsetzt fest, dann wandte der Zauberer den Blick vom Seherstein ab. »Dies ist eine schwarze Beschwörung.«
»Das ist es, was mir eigentlich Angst einjagt«, sagte Gaborn.
Die das Städtchen einhüllenden Flammen färbten sich allmählich grün, die verschiedenen Feuer darin verschmolzen zu einem eigenartigen Wunderland jenseitiger Schatten.
Innerhalb von wenigen Augenblicken begannen die steinernen Wände der Katen und die Steinmauern zu flüssigen Lachen zu zerfließen.
Das ging schnell, dachte Iome. Kurz darauf war das
Städtchen dem Erdboden gleichgemacht, waren die Knochen sämtlicher Kadaver, sowohl von Mensch als auch von Tier, von den Flammen blank geleckt.
Das stundenlange Reden und Flehen, das Iome bei einer Beschwörung für nötig hielt, war nicht erforderlich. Vielleicht verstärkte das Opfer den Bann der Flammenweber noch. Sie sangen und tanzten wie lebendige Fackeln.
Innerhalb einer Stunde erschien ein grün leuchtendes Portal auf dem Gelände, vor dem die Flammenweber standen und in der Sprache der Flammen und der Asche riefen.
Als nichts geschah, trat einer der Flammenweber an das Portal und verschwand in der Unterwelt.
Beinahe augenblicklich fielen die Flammen rings um das Dorf zusammen und erloschen zu völliger Dunkelheit. Nur hier und dort leuchtete noch ein ausgeglühter Scheit im Dunkel auf.
Lange Zeit hielt Iome den Atem an. Sie glaubte, ein Flammenweber sei gestorben, sei in der Unterwelt verschwunden, um niemals zurückzukommen.
Dann
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