Schattenherz
Kerl«, warf ihm Myrrima vor. »Bist du nie zuvor zu einer Frau ins Bett gestiegen?«
Die Wut drohte aus ihm hervorzubrechen, und er mußte mit ganzer Kraft seinen Zorn im Zaum halten. Er konnte seinen Haß auf sich selbst nicht in Worte fassen, seine Sehnsucht, die Vergangenheit ungeschehen zu machen. »Falls ich das getan habe, war es ein Fehler«, entgegnete er, »denn ich habe nicht geahnt, daß ich jemanden wie dich kennenlernen würde.«
»Es ist nicht die Verantwortung, die dich von meinem Bett fernhält«, sagte sie. »Du willst dich nur selbst bestrafen. Aber damit bestrafst du mich ebenfalls, und das habe ich nicht verdient!«
Sie klang, als wäre sie sich so sicher. Auf diesen Vorwurf wußte er nichts zu antworten, und so blieb ihm nur der feste Glaube daran, sie würde eines Tages einsehen, daß er nur zu ihrem Besten gehandelt hatte.
Er drückte ihre Hand und ging.
Myrrima fühlte sich betrogen, während sie ihm hinter-herblickte. Das Klingeln seines Kettenhemdes hallte zwischen den steinernen Türmen wider. Einen Moment später hatte er das Fallgitter zum Bergfried der Übereigner erreicht und verschwand in den Schatten. Sie stand noch kurz da und betrachtete den Glanz der Sterne auf dem Pflaster des Burghofs.
Er glaubte, er sei im Recht, das wußte sie. Jemanden zu lieben bedeutete, Verantwortung für diesen Menschen zu übernehmen.
Doch während er die Zwingeisen holte, begann es in
Myrrima zu brodeln.
Ein paar Minuten später erschien er wieder und trug eine Ledertasche, die mit Zwingeisen gefüllt war. Er bemerkte Myrrima zwar, drehte sich jedoch um und hielt auf die Stallungen zu, als wolle er ihr aus dem Weg gehen.
»Ich wollte dir noch ein einziges Wort sagen«, rief sie,
»Verantwortung!« Borenson blieb stehen und sah sie an.
»Wenn du auf deiner Verantwortung für mich bestehst, warum sollte ich dann nicht das gleiche für dich tun?«
»Du wirst mich nicht begleiten!«
»Glaubst du, ich wäre weniger zur Liebe fähig als du?«
»Du bist nur nicht fähig, dies zu überleben«, antwortete er.
»Aber…«
»Und sogar wenn, gibt es kein Pferd in Heredon, welches mit dem Roß mithalten könnte, das ich heute nacht reiten werde.«
Er blickte zum Stall.
Sie dachte, er würde sie jetzt verlassen, zu ihrer
Überraschung kam er zu ihr, legte ihr seine große Hand in den Nacken und küßte sie voller Leidenschaft. Lange Zeit stand er danach bei ihr, lehnte die Stirn an die ihre und schaute ihr in die Augen. Seine blaßblauen Augen spiegelten keinen einzigen Schimmer der Sterne. Sie wirkten wie leere Brunnen in finsterer Nacht.
Dennoch siedete das Ungestüm in ihm. Sie erkannte seinen Willen zu leben, zu kämpfen, zurückzukehren. Sie fühlte ihn in der Weise, in der Borensons kräftige Hände ihren Hinterkopf hielten. Zuletzt sagte er gleichmütig: »Wenn ich wieder da bin, werde ich dich so lieben, wie du es dir erwünscht – und wie du es verdient hast.«
Damit eilte er davon. Sein rascher Schritt, durch Gaben des Stoffwechsels gestärkt, überraschte sie. Eine Weile lang stand sie da, roch seinen Geruch und schmeckte seine Lippen auf den ihren. Zunächst wollte sie ihm in die Stallungen des Königs folgen, doch während sie sich noch besann und dann die ersten Meter ging, hatte er das Pferd des Königs bereits gesattelt, preschte wie der Sturmwind heran und rief den Wachen zu, sie sollten die Tore öffnen.
Ihr wurde kalt, und sie verschränkte die Arme vor der Brust.
Sah ihm hinterher.
Gleich nachdem ihr Gemahl davongeritten war, nahm
Myrrima sich eine Laterne und begab sich zu den Zwingern, wo der Bursche Kaylin ihre Welpen eingesperrt hatte. Sie hatte sich an diesem Tag erst zweimal fortschleichen können, um sie zu besuchen, und nachdem sie sie beschnuppert hatten, fingen die Welpen sofort an zu bellen und mit ihren Schwänzen zu wedeln. Kurz darauf bettelte ein Dutzend junger Hunde kläffend um Aufmerksamkeit.
Kaylin schlief, umringt von wenigstens zwanzig Welpen, die ihn warm hielten, im hinteren Teil des Zwingers auf einem Strohlager.
Myrrima ging zu ihm, deckte den Jungen mit ihrem Umhang zu, dann trat sie an den Käfig, in dem ihre Welpen
untergebracht waren, und öffnete den Riegel.
Sie hatte ein paar Essensreste von der Tafel mitgebracht.
Diese verfütterte sie an die Welpen und redete ihnen gut zu, bis sie sich so weit beruhigt hatten, daß sie sie auf die Arme nehmen konnte. »Ja, meine Kleinen«, girrte sie leise. »Heute nacht schlaft ihr bei
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