Schattenherz
verlassen und gegen Mittag dort sein. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, könnte Saffira Raj Ahten die Nachricht bereits morgen überbringen.«
Er hatte gesprochen, ohne sich die Sache recht zu überlegen.
Es klang töricht. Was bewegte ihn dazu? Teils wollte er es tun, weil er wußte, daß er der beste Mann für diese Arbeit war. Er hatte in der Vergangenheit Dutzende von gefährlichen Missionen erledigt. Außerdem bot es ihm Gelegenheit, die Verteidigungsanlagen Indhopals und die Truppenbewegungen auszuspionieren. Zugleich wäre er dann bereits nach Süden – nach Inkarra – unterwegs.
Er würde mit der Suche beginnen, die Iome ihm aufgetragen hatte. Doch da war noch etwas: Er wollte Erlösung.
Sowohl Lord Ingris als auch König Orwynne nahmen den Tod von Übereignern achselzuckend in Kauf und hielten so an einer endlos blutigen Tradition fest, welche die Strategien der Runenlords in der Vergangenheit bestimmt hatte. Sicherlich waren solche Vorgehensweisen äußerst verläßlich, im gleichen Zuge jedoch stellten sie das Grauen schlechthin dar.
Borenson drehte sich allein bei dem Gedanken der Magen um. Dagegen bot Gaborns Plan, wenngleich er auch nur armselig ausgearbeitet war, die karge Hoffnung, daß Indhopal und Rofehavan zu einer Übereinkunft gelangen und so dem Wahnsinn ein Ende bereiten könnten.
An Borensons Händen klebte das Blut von über zweitausend Männern, Frauen und Kindern. Sollte ihm dieses Vorhaben glücken, würde er sich eines Tages vielleicht wieder rein fühlen.
»Ich würde nicht alle meine Hoffnungen auf diesen einen Wurf setzen«, wandte König Orwynne ein. »Ihr müßt auch Sorge um Eure Verteidigung tragen. Vielleicht ist Saffira nicht bereit oder willens zu tun, was Ihr verlangt. Ihr hättet diesen Rat nicht einberufen, wenn Ihr Mystarria nicht verteidigen wolltet. Daher müßt Ihr Euch rüsten, und wenn es sein muß, persönlich gegen Raj Ahten antreten.
Oder Ihr könntet einen Kämpfer auswählen.
Ich habe einen Neffen – ein Löwe von einem Mann – Sir Langley. Er hält sich hier im Lager auf.«
»Einen Kämpen zu schicken ist ja gut und schön«, bedrängte Connal Gaborn, »aber ich finde, Ihr solltet Orwynne nicht allein kämpfen lassen. Mag sein, daß Raj Ahten Paldane fürchtet, aber wenn Ihr von Norden her geritten kommt, wird er vor Euch noch sehr viel mehr Angst haben. Zudem würdet Ihr damit jeden Mann im Norden um Euch scharen, der an Eurer Seite kämpfen will. Die Pferdeclans würden sich Euch anschließen.«
Gaborn saß da und dachte nach. In Borensons Augen wirkte er unentschlossen, wie gelähmt vor Angst. In seiner Sorge, die Hoffnungen seiner Gefolgsleute zu enttäuschen, wagte er überhaupt nichts mehr zu unternehmen.
So hatte er ihn noch nie erlebt. Stets hatte er den Jungen darauf gedrillt, Entscheidungen zu treffen und
Schwierigkeiten anzugehen, und nun hielt Gaborn den Kopf schief, als lausche er einer fernen Stimme.
Dieser gutgläubige Bengel hoffte tatsächlich, diese Angelegenheit ohne Kampf zu überstehen, wurde Borenson klar, daher suchte er den Beistand der Erde. Der Krieg kam allerdings trotzdem auf sie zu, ob es Gaborn nun gefiel oder nicht.
»Was werdet Ihr tun?« drängte ihn Borenson zu einer Entscheidung.
Eine halbe Sekunde schaute Gaborn noch in sich hinein, dann nickte er. »Das Schicksal der Welt hängt von unserem Beschluß ab. Mein Volk kann sich nicht vor Raj Ahten verstecken, und ich kann ihn nicht vertreiben. Ich wäre augenblicklich zum Kampf bereit, wenn ich glaubte, es würde uns nützen. Das tue ich jedoch nicht. Daher muß ich meine Hoffnungen darauf setzen, ihn auf unsere Seite zu ziehen, obwohl die Aussichten sehr gering sind.«
Gaborn sah Borenson an. »Ihr werdet mein Pferd nehmen und noch in dieser Stunde aufbrechen.«
Borenson schlug mit der Faust auf den Tisch und erhob sich von seinem Stuhl. Er hatte es eilig, fortzukommen, ertappte sich jedoch dabei, wie er einen Moment lang aus Höflichkeit stehenblieb.
Schließlich wandte Gaborn sich König Orwynne zu. »Ich kenne Sir Langley. Er hat ein gutes Herz. Ich werde Euch zweitausend Zwingeisen zur Verfügung stellen, damit Ihr ihn seinen Wünschen entsprechend ausstatten könnt.«
»Ihr seid überaus großzügig«, sagte König Orwynne,
scheinbar überrascht, daß der Erdkönig ein solches Geschenk gewährte. Wahrscheinlich hatte König Orwynne in einem einzigen Jahr noch nie zweitausend Zwingeisen zu Gesicht bekommen.
Zuallerletzt wandte sich Gaborn an Connal.
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