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Schattenherz

Schattenherz

Titel: Schattenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Farland
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lernen jene am meisten lieben, denen sie von ganzem Herzen dienen. Sera Crier hatte sich jahrelang um ihn gekümmert, hatte ihn im Schlaf mit Liebe überschüttet, hatte vielleicht davon geträumt, was er tun würde, wenn er erwachte.
    Die, die hier im Bergfried der Übereigner Dienst taten, waren oft herumstreunende Kinder, die als Gegenleistung für die geringe Entlohnung niedere Arbeiten verrichteten. Bliebe Sera hier, würde sie wahrscheinlich irgendeinen Jungen in derselben mißlichen Lage heiraten, und die beiden würden im Schatten des Blauen Turms eine Familie gründen.
    Möglicherweise würde sie nie wieder im strahlenden Schein der Sonne über das grüne Festland wandern und hätte stets das Donnern der Brandung oder das Geschrei der Möwen in den Ohren. Sera Crier hoffte jedoch auf etwas Besseres. Doch Roland hatte nichts, was er ihr geben konnte. »Ich bin dir für deine Dienste dankbar, sowohl in meinem Namen als auch in dem meines Königs. Aber ich bin kein Übereigner mehr, und mein Platz ist nicht mehr hier.«
    »Ich… könnte mit Euch kommen«, erbot sie sich. »Jetzt, da so viele Männer wiederhergestellt und mit dem heutigen Tag aus ihrer Unfreiheit entlassen sind, würde mich niemand wirklich vermissen, wenn ich ginge.«
    Ich war ein guter Diener, dachte er. Ich habe alles für meinen Lord gegeben. Du solltest es genauso machen.
    Er kniff die Augen zusammen und schaute zur nächst—
    gelegenen Tür hinüber, einem dunklen Durchgang, in dem sich die Leiber stauten. Dann bereitete er sich geistig darauf vor, sich an ihnen allen vorbeizudrängen. Sein König war nach einundzwanzig Jahren Schlaf gestorben. Rolands Mutter und sein Onkel Jemin waren schon damals alt gewesen. Aller Wahrscheinlichkeit nach lebten sie nicht mehr. Er würde sie nicht wiedersehen. Zwar bezeichnete man ihn jetzt als wiederhergestellt, doch im Grunde fühlte er sich nicht so, als sei er zu irgend etwas wiederhergestellt worden. Aber er hatte einen Sohn, und den mußte er finden.
    »Sera«, sagte er leise, »paß auf dich auf. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder.«
    Damit wandte er sich ab und ging. Er war der erste, der den kleinen Hafen am Blauen Turm erreichte.
     
    Jetzt rieb Roland lächelnd seinen Kopf am Haar der grünen Frau und fragte sich, ob er Sera jemals wirklich wiedersehen würde.
    »Einen schönen Morgen euch allen!«
    Roland sah auf. Die Sonne stand ein gutes Stück über dem Hügel, und Baron Poll blickte boshaft grinsend auf ihn herab.
    Er hatte einen Laib alten Brotes in der Hand, brach ein Stück ab und starrte ihn munter kauend weiter an.
    Averan erwachte in den Armen der grünen Frau. Sie wälzte sich herum und betrachtete sie erstaunt. »Was hat sie gefressen?«
    Roland kam einen halben Zoll weit hoch. Im trüben Licht vor Sonnenaufgang hatte er das getrocknete Blut, mit dem das Kinn der grünen Frau über und über verschmiert war, nicht bemerkt.
    »Sieht aus, als hätte sie etwas gefangen«, mutmaßte Roland.
    »Unsere Pferde waren es jedenfalls nicht«, stellte Averan mit einem Unterton von Erleichterung fest. Die Tiere drängten sich unter dem umgestürzten Baum.
    »Sie hat nicht etwas gefangen«, vermutete Baron Poll mit sichtlichem Behagen, »sondern jemanden.«
    »Ich würde sagen, sie hat ihm recht geschickt aufgelauert.
    Kommt und überzeugt Euch selbst.«
    »Doch keinen Reisenden?« rief Averan erschrocken.
    Baron Poll antwortete nicht, drehte sich nur um und führte sie hügelabwärts.
    Roland sprang auf, Averan ebenfalls, und die beiden folgten ihm über den Kamm des Hügels. Die grüne Frau lief ihnen hinterher, offenbar, um den Grund für die Aufregung zu erfahren.
    »Wie habt Ihr ihn gefunden?« fragte Averan.
    »Ich war gerade auf der Suche nach einem glücklichen Schößling, auf den ich meine Blase entleeren konnte«, erzählte Baron Poll, »als ich über seine Überreste gestolpert bin.«
    Just in diesem Augenblick stießen sie auf eine flache Senke.
    Der gräßliche Anblick, der sie dort erwartete, würde sich für immer in Rolands Gedächtnis einbrennen.
    Averan schrie nicht erschrocken auf, wie andere Kinder ihres Alters es vielleicht getan hätten. Statt dessen ging sie zu den Überresten hin und untersuchte sie fasziniert.
    »Er wollte sich an uns ranschleichen, würde ich sagen«, meinte Baron Poll, »da hat sie ihn von hinten angefallen. Seht hier, er hatte bereits einen Pfeil eingelegt, außerdem hatte er ein langes Messer. Aber das ist jetzt zerbrochen.«
    Roland war

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