Schattenherz
Metzger des Königs gewesen. Mit Messern
kannte er sich aus. Ein solches hatte er einmal auf einem Markt erstanden. »Ein Khivar«, verbesserte er. Der Mann war mit einem schwarzen Baumwollburnus unter seinem Gewand bekleidet gewesen. Eine gerissene Halskette neben seiner zerfetzten Kehle war mit goldenen Tauschringen bestückt.
»Einer von Raj Ahtens Meuchelmördern?«
»Er hatte einen kleinen Beutel mit Menschenohren bei sich«, gab Baron Poll ihm recht. »Ich glaube kaum, daß er Arzt war.«
Roland beugte sich vor, riß die Halskette mit den
Tauschringen los und ließ sie in seine Tasche gleiten. Er sah Baron Poll an. Der feixte. »Ihr fangt an zu lernen, Mann. Es hätte keinen Sinn, sie für die Aasgeier liegenzulassen.«
»Blut«, sagte die grüne Frau. Dann wiederholte sie leiser:
»Blut.«
Daraufhin setzte Averan ein unverschämtes Grinsen auf und schrie fast: »Blut – ja!« Sie ging zur Leiche, tat, als wische sie sich ihre Finger in dem ekelhaften Chaos ab. »Gutes Blut!
Mmmm… Blut – ja!«
Die grüne Frau starrte sie an, während ein Anflug des Verstehens in ihren Augen aufblitzte. Sie ging zu der Leiche hinüber und beschnupperte sie. »Blut – ja.« Aber offensichtlich wollte sie keins.
»Sie mag es lieber frisch«, sagte Roland.
»Ich bringe ihr nicht bei, daß sie töten soll«, erklärte! Averan.
»Aber sie soll sich für das, was sie getan hat, nicht schuldig fühlen. Sie hat uns gerettet, nichts Unrechtes getan!«
»Stimmt, und weil sie ihre Gier nach Blut jetzt abreagiert hat, wird sie den ganzen Tag bei bester Laune sein«, erwiderte Baron Poll. »Aber wenn sie das nächstemal Hunger bekommt, wird sie sich natürlich wieder einfach jemanden vom Straßenrand wegschnappen.«
»Nein, das wird sie nicht«, widersprach Averan. »Sie ist sehr klug. Ich bin sicher, sie weiß mehr, als Ihr glaubt.« Sie streckte die Hand aus und kraulte der grünen Frau wie einem Hund den Kopf.
»Oh, klug ist sie ganz sicher«, meinte Baron Poll. »Und wenn der Erhabene König das nächstemal Steuern erhebt, lasse ich sie sofort herbeischaffen, damit sie berechnet, was ich zahlen muß.«
Averan funkelte den Baron wütend an. »Baron Kugelbauch, ist Euch je der Gedanke gekommen, sie könnte uns vielleicht von Nutzen sein? Was, wenn sie diesen Mann getötet hat, weil sie wußte, daß er uns Schwierigkeiten bereiten wollte? Was, wenn noch weitere Meuchelmörder auf der Straße unterwegs sind? Sie könnte sie für uns töten. Sie scheint eine gute Nase zu haben, und diese Kerle riechen alle nach Ingwer und Curry.
Vielleicht erkennt sie sie am Geruch. Meint Ihr nicht auch, Roland?«
Roland zuckte bloß die Achseln.
»Ich esse selber manchmal gerne eine Portion Curry«, meinte Baron Poll. »Nur behagt mir die Vorstellung nicht, daß mir die Eingeweide herausgerissen werden, nur weil man mir in einem Gasthaus die falsche Vorspeise gebracht hat. Davon abgesehen ist sie nicht klug«, fuhr Baron Poll fort. »Ich habe schon Raben gesehen, die einem die Worte ebensogut nachsprechen wie sie.«
Averans Plan schien ein bißchen weit hergeholt, fand Roland, andererseits hatte die grüne Frau an diesem Morgen tatsächlich eine Menge Worte hinzugelernt. Noch ein, zwei Tage, und sie konnten ihr vielleicht beibringen, wie man jagt.
Und was noch entscheidender war: Er wußte selbst nicht recht, wie sie dieses Wesen überhaupt loswerden sollten.
Gestern hatte er versucht, sie zu töten, und war nicht gerade mit Erfolg gesegnet worden.
Sie hatten ihr davonlaufen, sie gestern abend irgendwo zurücklassen wollen, und die grüne Frau war einfach hinter ihren Pferden hergetrottet und hatte nach Blut gerufen.
Nein, die grüne Frau stellte ein Problem dar, vielleicht eines, das nur der König selbst ergründen konnte. Im Augenblick paßte Averan auf sie auf, und Roland hatte keine brauchbare Idee, wie man mit ihr umgehen sollte.
KAPITEL 14
Deyazz
D
er anbrechende Morgen sah Sir Borenson weit entfernt von seinem Zuhause. Den größten Teil der Nacht war er in südlicher Richtung nach Fleeds und anschließend hinauf zum Rabenpaß geritten.
Jetzt ließ er Gaborns schwarzbraune Stute durch die roten Vorberge oberhalb von Deyazz rennen und folgte den Straßen, die Jureem ihm geraten hatte, war sich allerdings nach wie vor nicht recht im klaren über sein Ziel. Der Name Obran war eine Zusammensetzung aus zwei indhopalesischen Wörtern – obir, altern, und ran, Stadt des Königs. Am besten ließ er sich mit ›Stadt des
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