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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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anderen in der Finsternis der Erde wandernden Wesen enthielt, bei deren Anblick er früher nur Gleichgültigkeit oder Ekel empfunden hatte.
    Jakob dachte an die Körner. An ihre schwarze Schale, daran, wie sie zwischen den Zähnen zerbröckeln würden. Er konnte sich nicht vorstellen, wie sie schmeckten. Die Gutgläubigen in seinem Dorf, die vom Hunger erschöpften Sünder hatten das vom Korn vergiftete Brot genießerisch stöhnend gegessen. Aber sie hatten nicht gewusst, welche Wut in den Körnern wohnte. Der Hungerwahn lockte Dämonen herbei, die Jakob in beide Ohren flüsterten: Iss, und du wirst nie mehr Hunger verspüren.
    Jakob betete und presste den Stoffbeutel mit beiden Händen. Beim Beten eilte er von einem Wort zum anderen, denn zwischen den Worten lagen willenlose Momente, in denen die Hände ihm den gesamten Inhalt des Beutels in den Mund schütten konnten. Jakob betete, der Herr möge die Todesstunde der Welt bald kommen lassen, denn er wurde immer schwächer. Die Finsternis der Schöpfung bedrängte ihn von allen Seiten. Sie wurde immer stärker, drückte seine Schultern mit ihrer erdigen Berührung in der engen Grube, die so flach war, dass man nur den Arm auszustrecken brauchte, um den Sturm zu spüren.
    In seinem verwirrten Zustand, während die Grenze zwischen Wachsein und Schlaf sich verwischte, betrachtete er die Bewegung der Wolken, der sich drehenden und umeinander windenden schwarzen Schleier, und erinnerte sich an die Worte des Apothekers. Dass die Vögel in einem ewigen Strom, vom Zufall gelenkt, hierhin und dorthin gleiten. Der Gedanke brachte Jakob zum Lachen, doch aus dem Gelächter wurde bald Weinen, dann wieder Lachen, bis er aus purer Angst vor dem Irrsinn verstummte. Was sollte das für eine Welt sein, ohne Seele, ohne Gott, eine Welt, in der die Schöpfung ihren widerlichen Wahn des Geborenwerdens und Essens fortführte, ohne Richtung und ohne Sinn?
    Über diesem Gedanken schlief Jakob schließlich ein. Bevor sein Bewusstsein erlosch, begriff er, dass er losließ und die Dunkelheit gelassen, glücklich begrüßte, überzeugt, dass der Tod seiner Qual endlich ein Ende bereitete.
    Erdenwurm …
    Jakob hörte den Ruf im Schlaf. Als er die Augen aufschlug, sah der Apotheker vom Rand der Grube zu ihmherab. Seine Haare und sein Gesicht bedeckte geronnenes Blut.
    Erwache, Erdenwurm .
    Andere Gestalten erschienen am Rand des Grabes, die Gesichter der Seeleute. Sie wiederholten die Worte des Apothekers wie ein Echo. Weiter weg ertönte eine schrille, weibische Stimme. Ich bin deine Sau , sagte sie. Deine fette, schmutzige Sau .
    »Bin ich doch nicht tot?«, fragte Jakob.
    Blind, den Mund voller Erde.
    Jakob hob den Kopf. Der Stoffbeutel ruhte auf seiner Brust. Er war aufgeschnürt. Der Spiegel lag neben dem Beutel. Er spiegelte den Himmel wider. Schwarze Krümel sprenkelten ihn.
    Nein.
    Im Beutel waren noch Körner, aber die Hälfte war weg. Einige schwarze Körner lagen auf seiner Hemdbrust.
    Als der erste Krampf Jakobs Rücken krümmte, begann er zu schreien.
    Name. Name. Name.
    Der Apotheker und die Seeleute wiederholten seine Worte wie ein wirrer lachender Chor.

A ls Jenni endlich auf Markus’ Haus zuging, sah sie, dass Aarons Wagen noch da stand, wo er ihn am Vorabend abgestellt hatte.
    Ina hatte Aaron also von seinem Vorhaben abgebracht. Jenni blieb stehen und betrachtete ihr Spiegelbild im Seitenfenster. Auf ihrem langgezogenen Gesicht lag ein dümmlicher verwunderter Ausdruck. Wie hatte Ina das geschafft?
    Miro war bereits an der Haustür, und Jenni lief rasch zu ihm. Als sie die Tür hinter sich zuzog, kam Ina mit einer Bettpfanne aus Markus’ Zimmer. Die Flüssigkeit plätscherte leise gegen die Plastikwand des Gefäßes.
    »Ach, hallo.«
    Inas Stimme klang heiter. Das erschien Jenni irgendwie unpassend.
    »Aaron ist geblieben«, sagte sie, als mache sie Ina deshalb einen Vorwurf.
    »Ja. Das habe ich dir doch versprochen.«
    Ina ging ins Bad, und Jenni blieb in der Diele stehen. Sie lauschte auf das Rauschen des Wassers in der Toilette und im Waschbecken. Geschickte Hände entsorgten die Ausscheidungen in blütenweiße Becken, in denen sie verschwanden, als habe es sie nie gegeben.
    Jenni überlegte, ob sie erzählen sollte, welche Angst sieim Wald ausgestanden hatte. Die Notrufzentrale würde sie jedenfalls nicht erwähnen. Und wenn Aaron oder Ina sich über ihre Anrufe wunderten, würde sie sich etwas einfallen lassen. Vielleicht hatte sie nur mitteilen wollen, dass sie und

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