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Schatteninsel

Schatteninsel

Titel: Schatteninsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marko Hautala
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Mutters Grab. Ina ist die Einzige, die in dieser bald platzenden Seifenblase ohne Sünde ist.
    »Schön«, sagte Jenni ausdruckslos, ging mit Miro zurück in die Diele und zog ihm die Jacke aus. Der Reißverschluss klemmte und löste sich erst, als sie ungeduldig daran ruckelte. Dabei hatte sie dem Jungen genau das Gegenteil beigebracht.
    Miro bewegte sich im Takt von Jennis Geruckel und fragte:
    »Was ist eine Hure?«
    Lisa kam nicht zum Mittagessen. Den Grund für ihre Abwesenheit erfuhr Jenni nicht, doch sie war erleichtert. Markus wiederum weigerte sich nach dem ersten Bissen weiterzuessen, und wurde hinausgebracht. Ina erledigte das taktvoll, sprach mit ihm wie mit einem Erwachsenen, behandelte ihn natürlich nicht herablassend.
    Ina hatte sich beim Kochen sichtlich Mühe gegeben, doch Jenni brachte kein lobendes Wort über die Lippen. Den Fisch hatte sie bei Fischern von der Insel gekauft und genau richtig zubereitet. Ina sagte, er habe zwar ein starkes Aroma, schmecke aber vorzüglich. Jenni fand den Geruch widerlich. Er ließ sie an die reglosen Fische denken, bei denen man nicht wusste, ob sie lebten oder tot waren. Das Brot war nur einen Kilometer entfernt gebacken worden. Eine echte Schärenmahlzeit, wie herrlich.
    Jenni probierte zwei Bissen von dem Fisch und ließ den Rest liegen. Den Wein rührte sie nicht an. Sie beobachtete Aaron, der aß und trank wie ein egoistisches Ferkel. Die Gräten lagen akkurat aufgereiht am Tellerrand. Aaron lobte das Brot, goss sich Wein nach und nickte, als Ina von Markus’ Zustand erzählte und von den alltäglichen Schwierigkeiten, die sie sich doch selbst, aus freiem Willen, aufgehalst hatte.
    »Ich muss euch etwas fragen«, sagte Ina plötzlich. Ganz offensichtlich hatte sie ihre Frage schon seit einer ganzen Weile stellen wollen. Sie hatte ihr Besteck auf den Teller gelegt und versuchte, die nach oben geknickte Ecke der Serviette glattzustreichen.
    »Hat Markus es vor dem Unfall erfahren?«
    Jenni spürte ein Zwicken im Magen. Sie dachte an die wenigen Bissen, die sie gegessen hatte. An all die Parasiten, die im Fischfleisch stecken konnten, wenn man es nicht durchgarte.
    »Ich meine, das mit euch beiden?«
    »Was spielt das für eine Rolle, wenn ich fragen darf?«, sagte Jenni halblaut.
    Ina strich unablässig über die Serviette. Die Bewegung ging Jenni auf die Nerven.
    »Ich war an der Unfallstelle. Da gab es keine Bremsspuren.«
    Die Stille dehnte sich bis zur Lächerlichkeit. Aaron aß weiter, als hätte er die Frage nicht gehört. Nur nichts übereilen. Jenni hatte den Eindruck, dass das Zwicken in ihrem Bauch über das Rückgrat in den Hinterkopf stieg. Sollte Aaron das Reden übernehmen. Sie hatte für heute genug gesagt.
    »Wahrscheinlich spielt es keine Rolle«, räumte Ina ein und nahm die Gabel in die Hand. »Das Leben läuft, wie es läuft. Nachträglich kann man nichts mehr ändern.«
    Ihr Messer lag noch auf dem Teller. Jenni sah, dass es gleich herunterfallen musste, aber das war ja nicht ihr Problem.
    »Ich habe in der Klinik mit Markus gesprochen«, sagte Ina. »Oder besser gesagt, ich habe ihm zugehört. Ich möchte betonen, dass ich keine Fragen gestellt habe.«
    Die Gabel kreiste langsam über dem Essen.
    »Markus hat gesagt, Aaron wäre nicht …«
    Jenni sah, wie Aarons rechte Hand zuckte. Ohne diese Beobachtung hätte sie glauben können, dass er es absichtlich tat, um nicht hören zu müssen, was Ina sagen wollte. Die Bewegung war jedoch zu ungeschickt, um beabsichtigt zu sein. Sein Weinglas kippte über den Tischrand und zersplitterte auf dem Fußboden. Jenni malte sich die Scherben und die rote Flüssigkeit in den Parkettfugen aus.
    »Nicht so schlimm«, sagte Ina und stand auf. Das Messer klapperte auf ihrem Teller, fiel aber nicht herunter. Ina ging um den Tisch, um den Wein aufzuwischen.
    Aaron betrachtete seine rechte Hand und wirkte verwirrt.
    »Keine Aufregung.« Ina legte die Serviette auf den Fleck.
    Jenni rührte sich nicht. Sie war nur Beobachterin. Das war ihr gutes Recht.
    Aaron schüttelte die Hand. Seine Finger verkrampften sich zweimal, entspannten sich dann. Die Bewegung war merkwürdig, sie wirkte ungesteuert. Jenni starrte auf Aarons Hand, bis sie unter dem Tisch verschwand. Es war dieselbe Hand, die sich im Wald erhoben und in der Sonne rot gefärbt hatte. Dieselbe Hand, mit der Aaron ihr vor sechs Jahren das Handy hingehalten hatte. Er hatte gesagt: Ruf ihn an. Sinnlos, aufzuschieben, was unausweichlich ist. Wir haben das

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