Schattenjäger
vor uns abgeschirmt«, sagte Ladranix. »Falls sie, was ich befürchte, bereit sind, uns feindselig gegenüberzutreten, wären wir wahrscheinlich alle umgekommen. Aber nun können sie uns nicht mehr überraschen.«
Sie ging mit ihnen auf Erkundung. Sie half, die Wasserflaschen wieder aufzufüllen und Essbares für sich und Jake zu finden. Sie wirkte ernst, wenn sie ernst wirken sollte, lächelte, wennman es von ihr erwartete, und setzte mit all dem ihren neuen Plan um.
Als der Tag anbrach, schlief sie näher bei Jake als sonst. Und als es Nacht wurde, stand Rosemary – bevor die Zeit für Überlegungen, Aufklärungsmärsche und ähnliches verplant werden konnte – neben Jake und fragte leise: »Gehen Sie mit mir spazieren?«
»Äh… ja, sicher. Alles in Ordnung?«, wollte er wissen, während er ihr folgte und zu ihr aufschloss.
Rosemary zögerte. »Größtenteils«, sagte sie. »Ich… muss mit Ihnen reden. Etwas abseits, damit die anderen uns nicht hören.« Sie wünschte, sie hätte auf Kommando erröten können, so aber begnügte sie sich damit, rasch den Blick abzuwenden.
»Sie werden nicht in Ihren Gedanken lesen«, sagte er. Er verstand immer noch nicht ganz, was los war.
»Aber sie werden in Ihren lesen«, erwiderte sie und lächelte ihm kurz zu. Sie beharrte: »Bitte. Ich weiß, es gibt einen Haufen Dinge, die wir tun sollten, aber…« Sie verstummte. Sie sah ihn nicht an, aber sie war ziemlich sicher, dass er angebissen hatte.
Jetzt räusperte er sich. »Ich muss Ladranix Bescheid geben«, sagte er.
»Okay«, stimmte sie zu. Das schadete nichts. Bis Ladranix und die anderen merkten, was da vorging, würde es zu spät für sie sein, um noch etwas dagegen zu unternehmen. Jake würde in Gefangenschaft oder tot sein, und sie würde den exquisitesten Trip aller Zeiten genießen, einen Trip, der sie alles, was sie getan hatte, vergessen lassen würde.
Jake eilte davon, dann kehrte er lächelnd zurück. »Gehen Sie voraus«, sagte er.
Sie kannten sich mittlerweile beide in der Umgebung aus, selbst außerhalb der Ruinen der Stadt, und nachdem sie sich zweimal vergewissert hatten, dass keine Zerg in der Gegend waren, folgte er ihr willig und absolut ahnungslos. Er drängte nicht aufeine Unterhaltung, und sie glaubte, dass auch er froh war, einfach einmal schweigen zu dürfen.
Schließlich waren sie fast am Ziel. Sie wurde langsamer. Der Treffpunkt war nicht mehr weit entfernt, nur etwa einen halben Kilometer noch. Sie wollte, dass Jake nicht den leisesten Verdacht schöpfte, darum hielt sie inne.
Einen Moment lang standen sie da, über ihnen der schwach leuchtende Mond. Jetzt, dachte sie. Sag es, tu, was du tun musst, und locke ihn mit einem Versprechen in die Falle.
»Jake?« Sie wandte ihr Gesicht nach oben, sah zu ihm auf und trat näher auf ihn zu. Ab und zu wünschte sie sich – in Anbetracht ihres Jobs –, größer zu sein, aber wenn sie die Hilflose spielen musste, gereichte ihr die mangelnde Körpergröße jedes Mal zum Vorteil.
Jake trat zurück, alles an ihm drückte seine Unsicherheit aus. »Rosemary… was ist los? Stimmt etwas nicht? Warum mussten wir uns so weit vom Lager entfernen, nur damit Sie mit mir reden können?«
Sie lachte, und diesmal musste sie das Zittern darin nicht vortäuschen. Das leichte Unbehagen wandelte sich um in Schmerz. »Ich… nun ja, was ich Ihnen zu sagen habe… die Protoss mögen in der Khala ja alles miteinander teilen, aber diese Sache geht nur Sie und mich etwas an.«
»Natürlich«, sagte er. Er streckte die Hand aus, wie um sie ihr beruhigend auf die Schulter zu legen, hielt jedoch inne. Rosemary folgte seiner Hand mit ihrem Blick, dann nahm sie sie in die ihre. Sie schmiegte ihre Finger um die seinen, verschlang sie ineinander.
Er ließ es geschehen, war aber offensichtlich völlig verwirrt. »Rosemary?«
»Ich habe diesen Namen immer gehasst«, sagte sie, und das war die Wahrheit. »Deshalb nannte ich mich lieber R. M.«
Er grinste und entspannte sich ein klein wenig. »Als ich das erste Mal Ihre Gedanken las und den Namen erfuhr, konnte ich nur daran denken, wie wenig er zu… na ja, zu einer Verräterin und Killerin passte.«
Das war nicht die Richtung, in der sie seine Gedanken jetzt lenken wollte. Sie drückte seine Hand. »Ja. Aber Jake… Sie wissen doch, dass ich das nicht mehr bin, nicht mehr der Mensch, der ich damals war. Nun, nicht mehr ganz jedenfalls – man verändert sich nicht über Nacht. Aber… es ist so vieles geschehen.
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