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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Frau war? Das klang nicht gut. Saul rempelte mich an, drängte sich an mich, wie es bei Werwesen üblich ist. Er stand auf Körperkontakt, und mir auf die Pelle zu rücken war seine Art, mir das zu beweisen. Außerdem konnte er so jedermann wissen lassen, dass ich auch meine Freizeit mit ihm verbrachte.
    Manchmal haben Werkerle einfach das Bedürfnis, ihr Revier zu markieren.
    Mein Lederarmband streifte seinen Arm, als ich ihn wegschob, und während wir den ‚Gang entlangliefen, schubste er zurück. Er wurde ein wenig zappelig. Wenn wir erst nach Hause kämen, würde das Ganze wohl in einem Gerangel enden. Wir würden eine Weile kämpfen, und dann würde die Sache für alle Beteiligten ein äußerst befriedigendes Ende finden.
    Wenn mein Besuch im Monde anstand, war Saul immer leicht gereizt. Genau wie ich.
    Wir erreichten das Morddezernat, und gemeinsam mit mir kehrte eine hörbare Stille im Raum ein. Aber ich schenkte dem keine Beachtung, nicht mehr. Stattdessen liefen wir alle schnurstracks in Montys Büro. Saul schloss die Tür und verzichtete diesmal auf seinen Tarntrick – er wusste, dass Monty es nicht ausstehen konnte. Dafür baute er sich hinter mir auf. Eine Hand berührte verstohlen und zärtlich meinen Rücken.
    Ich bemühte mich, nicht zu lächeln, während ich durch das Zimmer hinüber zu Montys Schreibtisch ging. Der reichte mir eine Akte. „Wirf einen Blick drauf. Wollt ihr was trinken?“
    „Gute Idee. Saul?“
    „Für mich nichts.“ Sein Kopf schwebte kurz oberhalb meiner Schulter und seine Stimme war ein angenehmes Dröhnen. Inzwischen zuckte ich davon nicht mehr zusammen. Schon lange hatte ich mich an diesen Klang in meinem Ohr gewöhnt, an Sauls Wärme in meinem Rücken.
    Monty reichte mir die Flasche, ich nahm einen Schluck und öffnete den Ordner. Der Alkohol brannte den ganzen Weg meine Kehle hinunter, und ich knallte die Flasche auf die Tischplatte, weil ich mich verschluckt hatte. Um ein Haar hätte ich eine feine Tröpfchenwolke Jack Daniels hinterhergeprustet, als sich das Bild vor meinen Augen zu einem Ganzen fügte. „Scheiße.“ Mit einem Ruck wandte ich mich von Montys Pult und Sauls Wärme ab und stakste hinüber zum Fenster. „Verfluchte Scheiße!“
    „Sämtliche inneren Organe fehlen“, sagte Monty leise. „Auch die Augen. Einfach alles ist weg. Ganze Stücke aus Oberarmen und -beinen sind fort, es sieht beinahe so aus, als … hätte man sie herausgebissen. Die Gerichtsmedizin konnte nur deshalb das Geschlecht feststellen, weil sie das Glück hatten, einen Fingerabdruck zu finden. Die Beine waren zum Großteil erhalten, aber alles zwischen ihnen und dem Hals ist verschwunden.“
    Es war ein schauriges Bild, das im grellen Neonlicht eines Sezierraums entstanden war. Kein Wunder, dass sie die Leiche erst mal auf den Tisch bringen mussten, um rauszufinden, ob sie ein er oder eine sie war. Der Körper war kaum mehr als menschlich zu erkennen. Keine Haare. Keine Kleidung. Hat man sie völlig nackt entsorgt? – Sind das da Klauenabdrücke? Zähne? – Was hat sie nur so zugerichtet? „Man hat sie auf der Lucado gesehen und dann in der Nähe des Idle Park gefunden? Wie hieb- und stichfest ist die Sichtung?“
    „Gesehen wurde sie von ein paar Polizisten der Sitte, so um zehn Uhr dreißig. Um zwei Uhr morgens ist man dann auf die Leiche gestoßen. Ihr rechter Mittelfinger war noch intakt, sie haben einen Abdruck genommen, auf gut Glück durch die Kartei gejagt und einen Treffer gelandet: Sylvie Mondale, Teenager, Stricherin und Heroin-Junkie.“ Montys Tonfall war weder abschätzig noch schroff. Er stellte lediglich nüchtern die Tatsachen fest, um die herzzerreißende Traurigkeit der Angelegenheit zu überdecken. Ich überflog die Daten des Opfers.
    Sie war fünfzehn. Mit fünfzehn war auch ich einmal die Lucado entlangspaziert.
    Herrgott. Sie werden immer jünger. Oder liegt es vielleicht daran, dass ich älter werde? Das Foto starrte mich finster an, irgendetwas daran stimmte noch immer nicht. Keine Brüste. Und die inneren Organe fehlen. Aber wohin sind sie verschwunden? „Was ist mit den Eltern?“
    „Der Vater sitzt im Hunger Central, bekam lebenslänglich für Mord. Hat eine steile Karriere hinter sich: häusliche Gewalt, Bagatelldiebstahl, Körperverletzung, schwerer Autodiebstahl, Vergewaltigung, Einbruch – und die gescheiterten Versuche zähle ich dabei gar nicht mit. Die Mutter unseres Opfers war heroinabhängig, ist vor zwei Jahren gestorben. Die Kleine ist

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