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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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wie er Energie aus seiner Umgebung bezieht, um die paar Gesetze der Thermodynamik zu brechen und sich in einen gewaltigen Puma zu verwandeln.
    Wo eben noch Saul gestanden hatte, saß nun die Raubkatze auf ihren Hinterläufen. Automatisch blinzelte er noch einmal und unter seinem Pelz arbeiteten die Muskeln.
    In den hinteren Reihen stieß jemand einen atemlosen Schrei aus. Dann waren die ersten Kotzgeräusche zu hören. Der Mund des blonden Bürstenkopfs klappte auf und zu wie ein Fischmaul.
    Saul verwandelte sich wieder zurück, breitete die Arme aus und schüttelte sich. Blickte mich an. Ich nickte, und er schritt völlig lautlos hinüber zur Tür … um aufs Neue aus dem Blickfeld der Klasse zu verschwinden – ein kleiner Verhüllungszauber, auf den die Werwesen mächtig stolz sind.
    Jetzt fing das Reihern richtig an. Ich griff mir meinen Kaffee, nahm einen ausgiebigen Schluck und rümpfte die Nase. Wenn sie fertig waren und der Hausmeister die Kotzkübel weggeräumt hatte, würden wir mit der Arbeit anfangen.

3
     
     
    Zum Mittagessen gab es Pizza, aber keiner von ihnen hatte recht Appetit. Ich verputzte drei Stücke, Saul warf nach fünf das Handtuch. Ans Abendessen verschwendeten wir danach keinen Gedanken mehr. Um sechs ließ ich sie schließlich gehen, die meisten waren verstört und todmüde. Die Psychoberater standen schon bereit, gaben jedem Beruhigungsmittel und redeten ihnen gut zu. Während Saul die übrig gebliebenen Ordner einsammelte, verstaute ich den Diaprojektor. Plötzlich stürmte Montaigne noch einmal ins Zimmer, diesmal in Begleitung von Carper aus dem Morddezernat.
    „Hey, Kiss.“ Carp konnte sich kaum zurückhalten. „Wieder einen Tag voller Kotze überstanden?“
    Ich war nicht in Stimmung dafür. „Weißt du noch, wie schlimm du dich in meinem Unterricht übergeben hast? Ich meine, ich hätte da eine vage Erinnerung daran, wie du gegen Ende der Diashow jammernd in Ohnmacht gefallen bist.“
    Saul versteifte sich. Er konnte Carp nicht leiden, und die Abneigung beruhte auf Gegenseitigkeit. Ohne zu blinzeln, war sein Blick starr auf den hochgewachsenen, breitschultrigen Detective gerichtet. Wegen der Feindseligkeit in der Luft fing meine Narbe unter ihrem Lederarmband an zu jucken.
    Montaigne seufzte. „Beruhigt euch, Jungs. Wie geht’s, Saul?“
    Saul zuckte mit den Schultern. Dann machte er sich wieder daran, mit knappen Bewegungen die Ordner einzusammeln. „Geht so. Hab letzte Nacht einen eingesackt.“
    „Habe schon davon gehört. Avery war überglücklich.“ Endlich ließ Monty die Katze aus dem Sack. „Du müsstest dir da mal was ansehen, Jill.“
    Immer die gleiche Leier. Du müsstest dir da mal was ansehen, Jill. Und jedes Mal in diesem müden Tonfall, als könnte Montaigne es selbst nicht glauben, dass er eine Frau um Hilfe bittet, die fast halb so alt und nur halb so groß war wie er.
    Auch ich kannte meinen Text. „Klar doch.“ Ich räumte die Filmrolle zurück in ihre Kiste. „Tier, Pflanze, Gestein?“
    „Mord. Carp hat den Tatort untersucht.“
    „Männlich oder weiblich?“
    „Eine Nutte.“
    Herrgott noch mal. „Männlich oder weiblich?“
    „Eine Frau. Zumindest ist das das Ergebnis der Autopsie.“
    „Seit wann ist sie tot?“
    „Zuletzt hat man sie in der Lucado Street gesehen. Vergangene Nacht.“
    Lucado, die Fleischgalerie. Ein kalter Finger fuhr mir über den Nacken. „Wo wurde sie gefunden?“
    „Zweiundachtzigste, Ecke Varkell Street. Am Straßenrand kurz vor dem Idle Park“, machte endlich auch Carp den Mund auf. Er mochte sich einen Spaß daraus machen, Saul zu provozieren und mir das Leben schwerzumachen, aber er war ein guter Mordermittler und wusste, worauf er zu achten hatte. Wenn der Tatort sein feines Gespür für das Außergewöhnliche gekitzelt hatte, dann sollte ich mir die Sache auf jeden Fall ansehen.
    Ich streckte mich, und mein Rücken protestierte wie so oft nach solchen Tagen. „Na schön. Dann zeigt uns mal den Weg. Schickt jemanden rüber, um den Rest hier aufzuräumen und zurück in den Tresor zu bringen. Saul?“
    „Ich bin dabei.“ Im Gleichschritt lief er hinter mir her. Die Ordner und den Projektor ließen wir zurück. „Von Lucado aus ist es ein ziemliches Stück bis zur Zweiundachtzigsten.“
    „Stimmt.“ Ich folgte den Rückansichten von Monty und Carp – einer breiten und einer schmaleren, jüngeren. Und die Leiche war in einem Zustand, in dem nur die Autopsie noch verraten konnte, ob es ein Mann oder eine

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