Schattenjagd
Kleinholz verarbeitet hatte. Außerdem hatte er halbwegs vernünftige Verstärkung gehabt. Ich blutete im Gesicht, und in meinem Oberschenkel gähnte ein beschissenes frisches Loch, das sich rapide wieder schloss.
Es war längst überfällig, diesen Arschlöchern zu zeigen, was passiert, wenn man in meinem Revier für Ärger sorgt. Mir reicht’s, und zwar ein für alle Mal! Meine Narbe kribbelte und schmatzte, eine enorme Hitzewelle flutete meinen Arm entlang. Kalter Wind wehte durch die zerbrochene Glastür, und überall in der gewaltigen Blutlache, die die Fliesen verklebte, lagen scharfe Scherben.
Ich atmete erleichtert aus, als Jonte seinen letzten Laut gurgelte und sich alles zu einem Ganzen fügte. Jeder für sich, hatten die Luden kaum etwas gewusst, aber wenn man die vielen Informationen zusammensetzte, kam etwas heraus, das mehr als brauchbar war. Es war wie ein Puzzle, bei dem man das Gesamtbild erahnen kann, auch wenn einige Teile fehlen -solange man die wichtigen hat.
So wusste ich jetzt zum Beispiel, wo die rothaarige Sorrow ihren kleinen Unterschlupf hatte. Es war ein Geniestreich, für den ich sie bewunderte, während ich mir schon überlegte, wie ich dort am besten eindringen und sie töten könnte.
Jontes Möchtegern-Heim ächzte im Wind. Ich hatte vier Männer mit Sturmgewehren, drei mit Handfeuerwaffen und noch zwei andere kaltgemacht, die offenbar nur zur Zierde rumgestanden hatten. Immerhin waren es nur Menschen gewesen. Schließlich hatte ich Jonte schlotternd vor Angst unter dem Küchentisch gefunden, wo er gerade versucht hatte, einen 38er-Revolver zu laden – ob für sich selbst oder für mich, wer weiß das schon. Und nun, da das Geballer und das Jammern verklungen waren, hörte ich etwas anderes.
Ich legte den Kopf schief. Da waren Kratzlaute.
Vielleicht Mäuse in den Wänden? Die Stimme in meinem Kopf klang seltsamerweise wie die von Perry – sein fröhlicher, gut gelaunter Ton, wenn er wieder etwas Neues gefunden hatte, um mich vor den Kopf zu stoßen. Kleine Mäusekrallen, die über den Putz wetzen? Aber bestimmt.
Glas knarzte unter meinen Schuhen. Das Geräusch kam von unten, aus dem Keller. Jonte war ein ziemlich erfolgreicher Zuhälter gewesen, wahrscheinlich, weil er Beziehungen zu einigen der mächtigeren Drogendealer der Stadt gehabt hatte. Sein Haus lag tatsächlich in einem Vorort, auf einem heruntergekommenen Grundstück – über den alten Highway keine fünf Minuten von der Straße in der Innenstadt entfernt, wo seine Mädchen auf und ab stolzierten. All die Vorzüge eines Eigenheims, aber nahe genug an seiner Einkommensquelle, um seine Schäfchen fest im Griff zu behalten. Ja, der alte Jonte war ein ausgebuffter Geschäftsmann gewesen.
„Gewesen“ ist das Stichwort! Denn jetzt hat es ihn in die Hölle verschlagen. Dieser Gedanke zauberte ein weiteres eiskaltes Lächeln auf mein Gesicht.
Abgesehen von dem Schaben und dem Fiepen war es im ganzen Haus gespenstisch still. Hätte ich mein Armband getragen, hätte ich es bestimmt nicht gehört.
Beide Pistolen gezückt, bewegte ich mich vorwärts. Jontes Geschmack in puncto Einrichtung war geprägt vom frühen spanischen Kolonialstil, durchsetzt mit einigen Elementen der alten Stammestradition. Für einen fetten Zuhälter war das wohl ganz nett. Von der Küche aus kam man ins Wohnzimmer. Ich schritt über die Leiche von einem von Jontes Schlägern – der im Nacht-Tarnanzug. Wo treiben sie bloß diese Typen auf? Andererseits: Söldner, die was auf sich halten, wollen nicht für Luden arbeiten. Ihnen gefällt es weiter oben in der Hierarchie besser, da wo mehr Geld lacht.
Als ich in die Eingangshalle trat, zückte ich die Waffen. Am anderen Ende war eine Tür, die vermutlich in den Keller führte und mit einem nigelnagelneuen Schloss versehen war. Was auch immer das merkwürdige Geräusch verursachte, war dahinter.
Nahe Hannover im norddeutschen Land, da liegt ein Ort, der ist Hameln genannt, ertönte das Gedicht schadenfroh in meinem Kopf. Ein ganz abscheulich Gebaren von einem Ungeziefer mit nie ermüdendem Kiefer.
Ich spannte beide Hähne der Kanonen. Konzentrier dich gefälligst, Jill. Was zur Hölle mag das sein?
Ein unterdrücktes Schluchzen drang an mein Ohr, und dann war da wieder das Geräusch. Etwas bewegte sich.
Was für eine hübsche Überraschung wird wohl diesmal auf unsere Kismet warten?
Vorsichtig und leise näherte ich mich der Tür. Noch mehr leise Schluchzer. Bei allen Heiligen!
Die rechte
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