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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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selbst auf die innerste Essenz.
    Auf das Wesentliche.
    „Ich bin hier.“ Und das war er. Seine Aufmerksamkeit war wie warme Sonne auf meinem Gesicht – aber sie schien aus großer Entfernung.
    Aus sehr großer. Meine Konzentration richtete sich auf den Lack von Perrys Limousine, während die Dämmerung Besitz vom Himmel ergriff, das Blau in Violett verwandelte und die Wolken in einem letzten Erstrahlen rosafarben anmalte. „Du müsstest für mich noch mal ins Barrio und rausfinden, wie man einen Wendigo tötet. Gib nicht nach, bis du etwas weißt, und dann komm zu mir zurück. Nimm ruhig das Auto, ich brauche es nicht.“
    „Jill …“
    „Nein. Du musst das für mich machen.“
    „Und was wirst du solange tun?“
    „Ein paar Sachen.“ Und ich will nicht, dass du mich dabei siehst, Saul. Ich liebe dich.
    „Was für Sachen?“
    Blutige, kreischende Sachen. Ich beobachtete, wie die Scheinwerfer angingen und Perrys Wagen sich gemächlich aus dem Parkplatz schob, um in Richtung Norden davonzufahren. „Bitte, Saul.“ Frag nicht weiter nach.
    „Vielleicht schaffst du es ja diesmal, dich aus Schwierigkeiten rauszuhalten“, sagte er bleiern. „Gib mir deine Schlüssel.“
    Ich zog sie aus meiner Tasche und drückte sie ihm in die Hand, den Blick noch immer starr auf den Fleck gerichtet, wo eben noch Perrys Auto gestanden hatte. Die Dinge verschwammen mir vor den Augen, und ich hörte das letzte Klick, das bedeutete, dass ich nun endgültig abhob, mich von der Erde entfernte und in den Raum zurückzog, wo kein Platz mehr war für Gefühle. Dort würde ich so lange bleiben, bis es wieder sicher war, etwas zu empfinden.
    Mir reicht’s. Meine Stadt! Ausgerechnet meiner Stadt wollen sie das antun!
    „Jill?“ Noch einmal rempelte Saul mich an. Wie es Werwesen nun einmal so machen. Er kam mir so nah wie nur möglich, um mich wissen zu lassen, dass ich ihm wichtig war. „Ich komme sofort zu dir zurück, sobald ich weiß, wie man es tötet. Versprochen.“
    Das entlockte mir ein Lächeln – ein sanftes, weggetretenes Lächeln, das ich trotz meines entrückten Zustands spüren konnte. Ich wandte mich um und sah zu ihm hoch. „Das brauchst du mir nicht zu versprechen.“
    „Will ich aber. Damit du weißt, dass ich es ernst meine.“ Seine dunklen Augen schienen meine einen Moment lang regelrecht zu versengen. Um ein Haar hätte ich dem Drang nachgegeben, wieder zurückzukehren. Doch dann schob ich dieses Gefühl beiseite. „Jill?“
    „Geh. Mach dich auf die Suche.“ Zärtlich schob ich ihn von mir fort. „Und dann holst du mich ab, okay?“
    „Abgemacht.“ Er nickte knapp, und das Haar fiel ihm über die Schulter. Das Silber darin glitzerte, und auf seinen Wangenknochen spiegelte sich der letzte Rest Tageslicht. Im Zwielicht sah er immer umwerfend gut aus, und bei strahlender Helligkeit sogar noch besser. „Ist so gut wie erledigt!“ Er drehte sich um und lief zu dem Impala. Ob er sich noch einmal umdrehte, kann ich nicht sagen, denn ich nutzte die Gelegenheit, um in den Schatten zwischen einem Van des Sondereinsatzkommandos und einem Krankenwagen unterzutauchen. Dann rannte ich leichten Schrittes auf eine kleine Gasse zu, die zwischen einem verlassenen Gemüseladen und einem neuen, aber ebenso leeren Gebäude verlief, das früher einmal Autoteile verkauft hatte. Von dort aus konnte ich eine Abkürzung zur 142nd Street nehmen und mir ein Taxi rufen. Ich hatte genug Bargeld bei mir – egal, wohin es mich verschlagen sollte.
    Kein einziges Mal drehte ich mich um, und ich hielt nicht an.

21
     
     
    Das Rotlichtmilieu erwachte eben erst zum nächtlichen Leben: lange Beine in zerrissenen Fischnetzstrumpfhosen und Miniröcken, funkelnde Augen unter Mascara und dickem Eyeliner, billiger Schmuck und allgegenwärtige Jacken, nachdem der Wind eingesetzt hatte.
    Die Winterböen, die von den Bergen wehten, waren kalt und brachten den Geruch nach Salbei und Fels mit sich. Es pfiff durch die Schluchten der Hochhäuser, und hier in der Lucado Street war der Wind schneidend, als triebe er Messer vor sich her.
    Die Mädchen waren nervös, was ihnen keiner verdenken konnte. Von einem guten Aussichtspunkt auf dem Dach einer Mietskaserne aus beobachtete ich die Straße. Den Mantel eng um mich geschlungen, wartete ich ab und atmete die eisige Luft ein.
    Es herrschte reges Treiben dort unten – sie waren wie glitzernde Fischschwärme, die sich völlig synchron bewegten. Man hörte das Klicken von hohen Absätzen auf

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