Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
Vom Netzwerk:
Immerhin bedeuteten viele verschiedene Werwesen viele verschiedene Duftmarken, und da mich dieses Vieh wahrscheinlich über meine Fährte verfolgte, konnte ich es hier vielleicht abschütteln.
    Diese Überlegungen schossen mir durch den Kopf, während ich in die Merced Street einbog und in der Ferne schon die Lichter des Plaza Centro sehen konnte, die wie Narrengold leuchteten. Ich wetzte über den Gehsteig, meine Narbe war nicht länger kalt, sondern heiß, so heiß, dass ich erwartete, sie würde in der Kühle der Nacht anfangen zu dampfen. Sie pumpte pure Sphärenenergie in mich hinein, die ich waghalsig verbrauchte – nichts war im Moment wichtiger als Geschwindigkeit, denn schon konnte ich das Ding hinter mir hören, und wenn der Wind sich entsprechend drehte, konnte ich es sogar riechen. Wie es mich sogar gegen den Wind wittern konnte, war mir ein Rätsel.
    Aber ich wollte es, ehrlich gesagt, gar nicht wissen.
    Alles, was mich im Augenblick interessierte, war, zu überleben. Ich war völlig außer Atem, mein Brustkorb hob und senkte sich rasselnd. Einmal schon, auf dem Dach eines Mietsblocks, Ecke Colvert und Tenth, hätte mich das Biest um Haaresbreite erwischt. Zum Glück kannte ich meine Stadt in- und auswendig, kannte jede kleine Gasse und jede Abkürzung, sonst wäre es längst um mich geschehen gewesen. Hinter mir stieß das Ding – dieser Wendigo, oder was es sein mochte – schrille Schreie aus und führte sich auf wie die Wilde Jagd höchstpersönlich.
    Gott, bin ich froh, dass es nicht auch noch schlau ist! Sonst hätte ich es nicht so oft in die Irre führen können. Und wäre längst hinüber. Ich hechelte die kleine Anhöhe hinauf, während meine Kräfte besorgniserregend nachließen und Scheinwerfer an mir vorbeizogen. Wenn mich normale Menschen überhaupt bemerkten, dann nur als Windstoß oder Blitz, der an ihnen fast unmerklich vorbeihuschte – etwas, das merkwürdig war, aber schon wieder fort, bevor sie genauer hinsehen konnten.
    Wie ein Geist.
    Gewähre mir Kraft im Kampf ein ehrenhaftes Leben und einen sauberen, schnellen Tod, wenn meine Zeit gekommen ist, tauchte das Gebet am Rande meines erschöpften Bewusstseins auf. Aber bitte nicht jetzt. Bitte, Gott. Ich hob dir gute Dienste geleistet, wie wär’s also mit ein bisschen Unterstützung? Gott? Hallo? Irgendwer?
    Dann geschah das Undenkbare. Der Gestank des Monsters war so stark, dass er mir fast die Luft zum Atmen nahm. Ich war zu langsam geworden, und keine Gasse, keine Abzweigung links oder rechts in Sicht. Noch immer rannte ich aufs Plaza zu, und vielleicht könnte ich mich in die Kanalisation retten, aber, mein Gott! Ich war so müde! So müde. Und dann traf mich von hinten ein gewaltiger Schlag, als das Ding auf seine Beute prallte und mich durch die Luft schmetterte.
    Noch im Flug hörte ich das Scharren von Krallen und die Schreie von Passanten. Vergeblich versuchte ich, mich in der Luft zu drehen, um auf den Füßen zu landen, irgendetwas zu tun. Dann krachte ich in eine Mauer.
    Der Aufschlag war heftig. Glas splitterte und barst, ich war durch ein Fenster geflogen und hatte ein Regal voller Flaschen getroffen, das prompt umstürzte. Um mich herum zerschnitten Scherben die Luft, während der Duft von zermatschtem Gemüse laut wurde.
    Einen Augenblick lag ich einfach nur da, meine Lungen pumpten und schienen voller Nadelstiche. Beine und Arme waren zu ausgelaugt, um sich zu bewegen, und das Mal war ein einziges Säurebad. Lieber Gott, lass es schnell vorbei sein. Wenn es mich schon erwischen muss, dann lass es schnell vorbei sein! Oh Gott, Soul. Saul …
    Plötzlich erschien wie ein Geschenk Gottes etwas Vertrautes. „Steh auf, verflucht noch mal. Jill, hoch mit dir!“
    Wie als Antwort auf meine Gebete hörte ich eine bekannte Stimme. Ich stemmte mich gerade rechtzeitig auf, als das Ding ebenfalls durch die Glasscheibe krachte, um nach mir zu suchen. Es war wie ein massiges Knäuel aus Gier und betäubendem Gestank, das die Luft urplötzlich einfror. Immer noch bewegte es sich unmenschlich schnell, und immer noch war ich so ausgebrannt und erschöpft, sämtliche Glieder fühlten sich an, als wären sie aus Blei.
    Dann warf sich Saul mit einem kolossalen Getöse auf das Biest, stieß seinen Kriegsschrei aus, ein Brüllen, das halb das eines Menschen und halb das eines Pumas war. Urplötzlich brach ein Feuer aus, grell im Zwielicht der Leuchtstoffröhren des Gemüseladens. Gekreische und das Prasseln von Flammen drangen an mein

Weitere Kostenlose Bücher