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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Talismane darin erwärmt.
    Kurz bevor mein Trommelfell platzte, verstummte der durchdringende Lärm. Ich rollte mich aus der dampfenden, blubbernden Sauerei, kämpfte mich auf die Knie hoch und schaffte es beim zweiten Versuch auf die Füße. Schlagartig kühlte sich der Raum wieder ab und nahm die normale Temperatur einer Winternacht in Santa Luz an.
    Noch immer erfüllte hohe Feuchtigkeit die Luft. Leises Gemurmel lag im Gebäude, die Werwesen hatten die uralten Worte angestimmt, die sie aufsagen, wenn sie mit einem Unglücksfall oder einem Tod durch Menschenhand konfrontiert werden. Sie vergeben dem Geist, der vernebelt von Wut und Rache gehandelt hat. Nie hat man dieses Gebet übersetzen müssen.
    Und wenn man es je gehört hat, weiß man auch, warum. Man versteht es rein instinktiv.
    In der plötzlichen Stille klang mein eigenes Schnaufen harsch und laut. Und auf einmal machten mir auch meine geschundenen Beine ihre Unzufriedenheit deutlich. Mein Brustkorb schien am liebsten platzen zu wollen, so sehr hatte er arbeiten müssen. Und die Narbe pulsierte obszön im Innern meiner Haut, als würde Perry meinen Arm mit Küssen bedecken, seine dämonischen Lippen auf menschliches Fleisch pressen und seine Schuppenzunge darübergleiten lassen. Sein heißer feuchter Atem schien auf dem viel kühleren menschlichen Gewebe zu kondensieren.
    Die Dampfschwaden in der Luft teilten sich wie ein Vorhang. Saul stand über dem gebrochenen Körper des Wendigos und warf die Pfeilspitze samt Lederband, Federn und Haaren auf den klebrigen Haufen. Nun war die Kreatur tot. Sie hatte eine verquere, leicht menschliche Form, die von glänzendem eisgrauem Pelz überzogen war. Hier und da hatte es sich die Skalps seiner Opfer ins scheckige Fell gebunden. Der Kopf war in den Nacken gekippt, die Augen in dem grässlichen Gesicht waren eingesunken und bloße Rinnsale aus Fäulnis, der lippenlose Mund war zu einem stummen gotteslästerlichen Schrei aufgerissen. Und die Klauen, mit Obsidian überzogen und tödlich, lagen zuckend auf dem nüchternen, brodelnden Linoleumboden eines völlig zerstörten Lebensmittelladens.
    Jetzt sah das Untier eigentümlich klein aus, das Gesicht wirkte, trotz der erfrorenen, verrotteten Nase und den nichtexistenten Lippen, wie das eines hässlichen, runzligen Kindes. Die Genitalien hingen schlaff und waren voller schwarzer Frostbeulen.
    Um den Hals trug es eine dünne Silberkette, die im Licht funkelte und auf der eindeutig die schwarze Magie eines chaldäischen Schadenszaubers lastete. Etwa zehn Zentimeter unterhalb des Kiefers war die Kette eingerissen. Hatte der Wendigo sich losgerissen und auf eigene Faust Jagd auf mich gemacht?
    Sein Herz war von einem Pflock aus einem tiefschwarzen Material, wie erstarrte Lava, durchbohrt, das knisterte und zischte, während es schrumpfte. Vor Sekunden war es noch gleißend weiß vor Hitze gewesen. Doch schon verflüchtigte sich der Dampf und verpuffte in der Nacht.
    Wenn ich atmete, rasselte es so sehr, als hätte ich eine mörderische Lungenentzündung. Der monströse Gestank im Raum raubte mir die Sinne, und mir wurde schlecht.
    Ach, bitte, nicht schon wieder kotzen. Bitte bitte.
    Sauls Pumafell war restlos verschwunden, er stand aufrecht und hatte mir die Seite zugewandt, starrte auf die besiegte Kreatur zu seinen Füßen und betete gemeinsam mit den übrigen versammelten Werwesen. Ihre Augen glänzten und ihre Münder hatten die Röte und die Schönheit von Kirschen. Ich bemerkte verschiedene Arten: Ein Khentaurus warf sich seine lange silberne Mähne in den Nacken. Neben ihm stand eine Werspinne, deren Miene unter dem seidenen Haar aschfahl und wie gehetzt wirkte. Eine Werkatze hatte die Hände gefaltet und die Augen geschlossen, bewegte die Lippen zu dem uralten Gebet. Noch viele andere waren da, aber ich war zu müde, um mir jeden einzeln anzusehen. Und dann, weit hinten in der Menge, bemerkte ich ein Paar bekannter blauer Augen und einen blonden Schopf. Perry. Ob er Belisa gefunden hatte?
    Im Moment war es mir egal. Ich schloss die Augen. Die Luft, die in meine Lungen schnitt, war ob des grässlichen Gestanks nicht weniger süß. Denn immerhin war sie voller Sauerstoff, und ich war am Leben, um ihn einzuatmen, egal wie sehr er miefte. Oh, Soul. Soul. Ich danke Gott für dich. Danke, Gott.
    Dann stolperte ich davon und suchte mir ein Plätzchen, um mich zu übergeben. Nicht, dass mein Magen noch irgendeinen Inhalt gehabt hätte, aber ich konnte trotzdem nicht

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