Schattenjagd
nicht, weil sie mir die schmalen Arme eisern um die Hüften legte. Im nächsten Moment waren ihre Finger an meiner Kehle, ich hörte ein Ratschen, als sie mir meinen Rubin vom Hals riss und ihn wegschleuderte. Mit einem hellen Klimpern kullerte er auf den Boden. Das Gift ließ mich würgen, während ich noch immer ihr schallendes Gelächter in den Ohren hatte. Sie bog sich vor Lachen, als hätte ihr jemand den besten Witz der Welt erzählt. Lachte sich schier zu Tode.
Schwärze umgab mich. Ich ließ mich treiben.
Ich bin tot. Jeden Moment bin ich wieder in der Hölle. Ich werde darin versinken, und dann werden sie sich auf mich stürzen. Jede einzelne Höllenbrut, die ich je über den Jordan befördert habe, jeder, den ich auf seine letzte Reise geschickt habe. Ich werde anfangen zu schreien, und es wird niemals enden. Bis in alle Ewigkeit werde ich an dieser Straßenecke stehen, wo der Wind über meine nackten Beine streift und dieses Auto auf mich zufährt. Ganz bestimmt. Gleich ist es so weit. Wenn ich erst tot genug bin.
Dann spürte ich etwas Hartes im Rücken. Kälte kroch mir unter die Haut. Meine Nerven taten höllisch weh, Arme und Beine standen in Flammen. Gleich würde ich zu mir kommen und mich in der Hölle wiederfinden. Es gab keinen Grund, länger dagegen anzukämpfen. Ich war tot.
Tot. Trieb in einer Finsternis, die mir in Finger und Zehen stach, wie in der Umarmung einer riesigen Qualle.
Belisa. Diese verräterische Hure!
Hat sie mich getötet? Aber warum? Sie wollte doch, dass ich diese Schlampe Inez für sie ablenkte.
Hab ich mich getäuscht?
Im hintersten Winkel meines Geistes begann eine Idee Gestalt anzunehmen. Ich schob sie weg, wollte mich darauf konzentrieren, tot zu sein, aber sie weigerte sich zu verschwinden.
… warum deine Akte unter ‚Gefährlich’ eingestuft ist.
Sie hatte meisterhaft die zu Tode Erschrockene gespielt, so getan, als würde Perry ihre eine Mordsangst einjagen, und vielleicht hatte sie sich wirklich gefürchtet. Eine falsche Bewegung, ein falsches Wort, und er hätte sie womöglich wirklich umgebracht. Das hätte ich ihm jederzeit zugetraut. Aber sie hatte diese Ampulle bei sich gehabt. Gift war das Markenzeichen der Sorrow. Gift in Form von Worten, Taten und allen möglichen greifbaren Formen.
Belisa wusste zu viel, hörte ich Michail in seinem nicht ganz fehlerfreien Englisch. Viel zu viel. Woher weiß sie, was das Flittchen mit den roten Haaren vorhat? Und hier ist anderer Gedanke, Milaya, gibt es Grund, warum du diese Rothaarige nie gesehen hast? Schon mal was von Perücken gehört?
Aber das ergab keinen Sinn, oder? Nichts von alldem ergab einen Sinn.
Wach auf, Kätzchen. Mein Gewissen wechselte die Tonlage und wurde zu einer Stimme, die ich so gut wie meine eigene kannte, tief und sanft. Saul flüsterte mir ins Ohr. Wenigstens war er nicht dabei gewesen, als Belisa ihren fiesen Plan ausführte. Zeit, aufzuwachen. Na, komm schon.
Aber ich war doch tot, und außerdem so müde. So verflucht erschöpft, ich wollte nichts mehr hören und sehen. Das Leben einer Jägerin besteht nur aus einem beschissenen Kampf nach dem anderen, und es gab unzählig viele einfallsreiche Möglichkeiten, wie Menschen erschossen, erstochen, gefoltert, verbrannt, verletzt werden konnten. Jeder Jäger kann es irgendwann nicht mehr ertragen, auch wenn wir immer noch besser dran waren als die Polizei, die es mit Menschen zu tun bekam. Wir Jäger mussten uns immer wieder ins Gedächtnis rufen, warum wir das eigentlich mitmachten. Warum wir dies immer wieder über uns ergehen ließen.
Naja, Zuckermaus, warum denn? Diesmal war es weder Saul noch Michail. Allerdings war mir diese Stimme nicht weniger geläufig. Sie gehörte einem Mann, der ein schlotterndes Mädchen aufgegabelt, ihr das Gefühl gegeben hatte, sie sei etwas Besonderes, sie sogar glauben ließ, dass er sie liebte. Bevor er sie zum Anschaffen auf die Straße schickte. Warum machst du den Scheiß überhaupt mit?
Val wollte ich nicht hören. Ich hatte ihn erschossen. Also stieß ich seine Stimme mit so viel Kraft von mir, dass es sich anfühlte wie echte körperliche Anstrengung- und hörte einen dumpfen Laut. Als würde jemand stöhnen, gerade wieder zu sich kommen, aus schwarzem Wasser an die Oberfläche schwimmen. Metall prallte auf Metall, und wieder fühlte ich überdeutlich die fiese Kälte in meinem Rücken und an meinen Fußsohlen. Sie nahm an Intensität zu, brannte auf meinem Po, an meinen Schultern, grub sich
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