Schattenjagd
ausgegangen. Außerdem wird jeder Ort, an dem eins der Opfer für diese Beschwörung ermordet wurde, zu einer Art Knotenpunkt werden, wenn es Inez gelingt, den Namenlosen durch das Tor zu holen.“
„Knotenpunkte.“ Hoppla, ich klinge geschockt. „Verstehe. Sie hat dem Avatar Quellen vorbereitet, damit er es leichter hat, die Energie der Stadt von diesen Punkten aus anzuzapfen und Santa Luz wie eine Zitrone auszuquetschen. Das würde die psychische Narbe im Äther zusätzlich weiten und diesem Gott höllisch viel Macht geben.“
Belisa nickte wie eine Lehrerin, die sich über die kluge Antwort ihrer Schülerin freut. „Sehr gut. Allmählich begreife ich, warum deine Akte unter ‚Gefährlich’ eingestuft ist.“
„Gefährlich? … Vergiss es, ich will’s gar nicht wissen. – Warum hat sich dieses Dreckstück ausgerechnet meine Stadt ausgesucht?“
„Weil du hier sämtliche Häuser hast verbieten lassen. Keine offiziellen Häuser, also keine anderen Sorrow, die ihre Pläne aufdecken und vereiteln könnten.“
Wie bitte, dann ist das alles also meine Schuld? Ich war kurz davor, an die Decke zu gehen, beruhigte mich, schloss die Augen, legte den Kopf zurück und verfluchte mich innerlich. Dann stieß ich die Luft durch spitze Lippen, nicht ganz ein Pfeifen. „Herrgott noch mal! Scheiße!“
„Ich kann so gut wie jeden Wer in dieser Stadt innerhalb weniger Stunden in Bereitschaft haben“, schlug Saul vorsichtig vor.
„Und es gibt eine Reihe von Höllenbrut, die man dazu zwingen kann …“, fing Perry an, und diesmal klang er nicht herablassend. Stattdessen war seine Stimme wie eine finstere Drohung.
Man höre und staune! Sogar Terry hat die Hosen voll. „Uns bleibt nicht genug Zeit. Außerdem hätte ich danach eine Massenschlägerei an der Backe, die ich erst mal wieder schlichten müsste.“ Ich versank in der Couch. Verdammt. Ich hab wirklich dringend Urlaub nötig. Guter Gott. Was meinst du, wie viel mehr Gräber es da draußen vielleicht noch gibt? Mehr Leichen. Oh Gott, lieber Gott. „Warum gerade ein Wendigo?“
„Ich vermute mal, sie ist während ihrer Reisen auf dieses Wesen gestoßen und dachte sich, dass es noch nützlich sein könnte. Sie war in den Alpen unterwegs, und damals … kamen Gerüchte auf.“ Belisa schauderte. „Chutsharak.“
Verflucht sei meine Neugier, aber ich musste es einfach wissen. „Was hat es eigentlich mit diesem Chutsharak auf sich?“
„Das ist House-Slang, nicht das zeremonielle Kauderwelsch, der euch bekannt ist. Es bedeutet – na ja, die beste Übersetzung ist wohl Ach, du Scheiße!’.“ Belisa schaffte das Kunststück, amüsiert zu klingen. „Zumindest so etwas in der Art, das kommt auf die Betonung an.“
Nun gut, immerhin ein Rätsel gelöst. Einen Augenblick lang war ich versucht, mich einfach auf dem Sofa zusammenzurollen und einzuschlafen. Sollten die Dinge doch ihren Lauf nehmen! Der animalische Teil in mir wollte nichts anderes, als sich in seinen Bau verkriechen und den Schüttelfrost und die Übelkeit wegschlafen, die sich immer einstellten, wenn ich um ein Haar draufgegangen wäre.
Es wurde so ruhig im Raum, dass die angespannte Stille zu knistern anfing. Uneingeladen drang die sanfte und klare Stimme Michails in meinen Kopf. Diesmal sang er das Gebet nicht auf Russisch, sondern grölte es in seinem akzentreichen Englisch. Jedes Wort war wie ein Schlag gegen die graue Watte aus Schock und Apathie, die mich einzulullen drohte. Nach und nach stimmte meine eigene Stimme mit ein, unsicher und müde, aber dennoch stark genug.
Halte Deinen Schild über mich. Mein Schwert möge Deine Kinder beschützen und Deine Gerechtigkeit auf Erden durchsetzen.
Lass mich die Schwachen verteidigen und die Unschuldigen beschützen.
Lass mich Unrecht bekämpfen und Gutes tun.
Gott, mein Herr, ich bitte dich, steh mir bei, wenn ich den Legionen der Hölle gegenübertrete.
In Deinem Namen und mit Deinem Segen ziehe ich aus, die Nacht zu reinigen.
Das ist, was du geschworen hast, sagte Michail. Das ist, was du gebetet hast. Und genau das wirst du tun, Milaya.
Ich riss mich zusammen. Als ich die Augen aufschlug, bemerkte ich, dass Perry und Belisa mich anglotzten. Schwarze und blaue Augen, die zu lauern schienen. Auf was? Perry hatte ein Interesse daran, dass ich am Leben blieb – zumindest so lange, bis er auf meinen Trotz keine Lust mehr hatte. Und Belisa? Wenn sie mich dazu bringen konnte, diese Inez-Schlampe lange genug hinzuhalten, würde sie
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