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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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gehorchte, ich musste einfach hinsehen, ich konnte nicht anders. Er war Höllenbrut, und er war gefährlich, aber er war immer noch besser als … dieses … dieses Ding.
    Perry stand mit den Händen in den Taschen seines grauen Anzugs über mir, tadellos wie immer. Auf seiner Stirn, genau in der Mitte, prangte eine böse rote Schramme, die zur Hälfte verheilt war. In seinen Augen flammte ein wahres Inferno, durchzogen von indigoblauen Schlieren, die das Weiß seiner Augäpfel durchzogen wie den Kopf einer Kobra. Das alles beobachtete ich vom Boden aus, wodurch Perry irgendwie größer wirkte, außerdem zu dünn, und auf seinem Gesicht lag verbrauchtes Licht wie von einer sterbenden Sonne an einem schneidend kalten Wintertag. Aus seinem platinblonden Haar war ein Heiligenschein geworden, und eine leichte Brise berührte meine Wangen, die den üblen Gestank staubiger Federn und vergammelten Honigs mit sich trug. Ein Summen drang an meine Ohren – kamen jetzt auch noch Wespen? Wütende Hornissen? Fliegen? – Ich konnte die Quelle nicht ausmachen. Perry stand kerzengerade wie ein aufrechtes Schwert, und seine Miene war nicht länger durchschnittlich, sondern schrecklich, grauenhaft schön.
    So wunderschön, wie ein Atompilz oder das sterile weiße Licht einer Reaktion wunderschön sein konnte. Auf eine zerstörerische, perverse Art.
    Über dem Altar pulsierte Dunkelheit. Nur war das keine Dunkelheit. Es war wie bei dem Wendigo, wie formlose Gestalten, die wie Tinte auf nassem Papier verliefen. Umrisse, die so abnorm waren, die so völlig gegen jedes unserer geometrischen Gesetze verstießen, dass ich mich beim Anblick dieser sich windenden Ausprägungen, die aus dem Schwarz herausspringen wollten, am liebsten schon wieder übergeben hätte.
    Wenn dieses gierige, fleischfressende Etwas tatsächlich in unsere Welt gelangen würde …
    Obwohl es betont leise sprach, kräuselten seine Worte die Oberfläche der Realität und rissen an ihrer Struktur. Doch es ließ nach, verstummte immer mehr wie das Schrillen eines entfernten Zuges. War allerdings nicht weniger bedrohlich und fremdartig.
    Perry zuckte mit den Schultern. Ein Paradebeispiel gallischer Lässigkeit, dieses Schulterzucken, das gleichzeitig Resignation und Gleichgültigkeit ausdrückte. „Mag sein. Aber Ihr seid dort, und ich bin hier. Und das hier ist mein Eigentum.“ Sachte puffte er mir mit dem Fuß in die Hüfte. Die Narbe kochte wie Gewürzhonig, und Begehren kroch meinen Arm entlang, ergoss sich in meine Brust. Beruhigend, tröstend. Wieder hörte ich mein eigenes hilfloses Wimmern.
    Wie von den narkotisierten Opfern, die sie aufgeschlitzt hatten.
    Lieber Gott. Hilf mir!
    Das Ding antwortete mit einem fetten, rülpsenden Kichern wie aus blubberndem Giftschlamm. Der Klang ließ mir den Atem stocken, als hätte die ohnehin wunden Stellen in meinem Kopf ein weiterer gepfefferter Schlag getroffen.
    „Leere Drohungen langweilen mich nur, Ältester. Warum jammerst du nicht jemand anderem die Ohren voll? Wir sind jetzt am Zug.“
    Die Wirklichkeit schloss sich wie die Linse einer Kamera. Krampfhaft kauerte ich mich zu einem Ball zusammen, als Es versuchte, mich zu sich zu ziehen, doch Perry stellte einen Fuß auf eine meiner Haarsträhnen und nagelte mich an Ort und Stelle fest. Sobald sich das Loch geschlossen hatte, fing ich wieder an zu zittern, und neue Kraft strömte in mich.
    Aber nicht genug. Nicht annähernd genug.
    Mit einem Blick über die Schulter wägte Perry die Situation ab. Dann ließ er sich in die Hocke sinken, die linke Hand lässig aufgestützt, während er mir mit der rechten durchs Haar fuhr. Kein Silber war ihm diesmal im Weg. Er ballte die Hand zur Faust und zog mir den Kopf zurück. Schutzlos wölbte sich meine Kehle nach außen, und der kalte Boden versengte mir Hüften, Rücken, Po und Hacken. „Sieh dir das an“, sagte er zärtlich. „Mein armer Schatz.“
    Seine blauen Augen brannten sich in mein Hirn und im gleichen Moment durchzuckte überschwängliche Lust meine Narbe. „Ist ja gut.“ Ein Blitz fuhr durch mich hindurch, als hätte jemand versucht, mich nach einem Herzstillstand wiederzubeleben. Ich stieß einen schwachen Schrei aus, die Handschellen an Armen und Beinen klirrten über den Boden.
    Wie das Weinen eines Neugeborenen.
    „Meine arme, arme Kiss“, wisperte er. „Sieh dir nur diesen Schlamassel an.“
    Allmählich war ich diesen Spruch leid. Ich konnte ihn nicht länger ertragen. „Saul“, flüsterte ich zur

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