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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Einrichtung wurde zu Kleinholz verarbeitet, meine Persönlichkeit in Stücke zerfetzt, zerbrochen – das, was mich ausmachte, die Essenz meines Seins streckte sich wie eine dünne Hülle über etwas, das zu grauenhaft war, um es in Worte zu fassen. Wie ein Monster, das unter einer Decke verborgen war – man konnte es nicht genau sehen, aber die Konturen allein waren so anders, dass es unmöglich menschlich sein konnte.
    Nicht annähernd menschlich.
    Dann setzte der Schmerz ein. Frischer Schmerz, der mir durch und durch ging. Finger griffen in mein Haar und zogen daran, Eisen schnitt mir in Hand- und Fußknöchel, und mit einem Mal fiel ich wie ein nasser Sack vom Altar und schlug mir den Kopf so hart am Granitboden an, dass er leicht hätte brechen können. Das Gurgeln in meinem Hals verstummte und ging in Jammern über.
    Wie ein jaulender Hund, den man getreten hatte.
    „Nein“, hörte ich da, schon beinah wie selbstverständlich, Perrys Stimme, und plötzlich brannte die Narbe unter den abgerissenen Handschellen wieder lichterloh. Jeder Schmerz auf dieser Welt verblasste urplötzlich zu nichts verglichen mit diesen Todesqualen, entsetzliche körperliche Pein einerseits,

andererseits aber auch eine Erleichterung, weil es nicht länger die seelenfressende Vergewaltigung meines innersten Selbst war.
    „Sie gehört mir“, fuhr die Stimme fort, gefasst, aber mit schrecklicher Wut darin. „Unterzeichnet, besiegelt und beglaubigt, Ältester. Sie ist nicht für Euch.“
    Die Welt stand still, und andere Laute wurden wach. Blutrote Funken tanzten mir vor den geschlossenen Augen, ich hörte Dinge aufeinanderprallen, Schreie und das raue Fauchen eines Werwesens, das wild darauf war, sich in den Kampf zu stürzen. Saul? Mein benommenes Hirn geriet ins Straucheln.
    Abermals sprach das Ding, abermals ein Schwall dieser grässlichen, grässlichen fremdartigen Laute. Ich kauerte mich auf dem Boden zusammen, mit rasselnden Ketten schlug ich mir die tauben Hände über die blutenden Ohren und ging hinter einem festen Gegenstand in Deckung. Zwei harte Wölbungen piekten mich in die Rippen, als wäre ich am Fuß einer Statue, was auf absurde Weise tröstlich war. Ich röchelte, verschluckte mich immer wieder an Blut und Galle und rang nach Atem, während meine Narbe sich zu verflüssigen schien. Angenehme Schauer, wie von Honigöl, rannen unterhalb meiner Haut entlang. Beruhigend.
    Oh, bitte, lieber Gott, mach, dass es vorbei ist. Bitte, mach, dass es vorbei ist. Ich schluchzte und wimmerte und konnte nicht mehr aufhören, rollte mich ein und machte mich so klein wie möglich.
    „Warum fragen wir sie nicht selbst?“, sagte Perry plötzlich voll bemühter, aufgesetzter Höflichkeit, die die Rasiermesserschärfe in seinem Tonfall nicht ganz verbergen konnte und mich zusammenzucken ließ. Ich kannte diesen Ton. Und ich kannte diese Stimme, auch wenn ich sie noch nie zuvor unverhüllt, in ihrer ganzen schlimmen Macht gehört hatte. „Ich denke, mich mag sie lieber. Aber natürlich bin ich auch der Hübschere von uns beiden.“
    Weitere Schreie und neue Geräusche, die von Blutvergießen erzählten, außerdem das stetige Gebrüll rasender Werwesen, mehr und immer mehr. Wie viele waren es? Saul? Bist du das? Guter Gott. Bitte hilf mir.
    Das war mein erster zusammenhängender Gedanke und ich hieß ihn herzlich willkommen, auch wenn ich mich immer noch an die Füße von irgendjemandem klammerte. Allmählich wurde mein Blick wieder klarer, Stück für Stück. In der Luft hing das Aroma von Amber, Nelken, Kopalharz und ein grauenhafter, fauler Geruch nach Verwesung. Der Gestank war so fremdartig, dass mein Hirn jedes Mal erschauderte, wenn er die feinen Sinnesorgane in meiner Nase streifte. Oh, Gott. Gott, ich danke dir. Danke.
    Dann sprach Es wieder, ein Klang, der die Welt in ihren Grundfesten erbeben ließ. Gleichzeitig schien es, als würde uns Stille einhüllen wie die erstickende Ruhe eines nuklearen Winters.
    Dann ein donnerndes Lachen, das mir wie ein Flammenschwert durchs Herz stach. „Wie überaus unhöflich, Ältester. Wo Ihr die letzten Jahrtausende auch verbracht haben mögt, Manieren habt Ihr dort keine gelernt. Kein Wunder, dass man Euch verbannt hat. Habt Ihr mich das erste Mal etwa nicht verstanden? Ich sagte Nein. Dieser Mensch gehört mir. Seht Ihr?“
    Heiß glühte das Mal an meinem Arm auf, während ich zu seinen Füßen stöhnte. Plötzlich kippte ich auf den Rücken, als mein Körper mir nicht länger

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