Schattenjagd
Himmelbetts blähten sich auf, als hätte der Wind sich darin verfangen. Flaschen mit verschiedenem Inhalt knarzten und schepperten gegen ihre Regalwände. „Mehr, als du so einfach zurückzahlen kannst, Kiss. Mehr, als du jemals zurückzahlen kannst. Deinetwegen habe ich einen Großen Alten verärgert, auch wenn ich völlig im Recht war. Du gehörst mir.“
Da hin ich anderer Meinung, Perry. „Unsere Abmachung lautete, dass du mir bei meinen Fällen hilfst als Gegenleistung für einen Teil meiner Zeit. Daran hat sich nichts geändert.“
Erneut zuckte er auf diese lässig gallische Art die Achseln. „Wenn es dir gefällt, so darüber zu denken, dann lass dich um Himmels willen nicht davon abhalten.“
Und jetzt zum Todesstoß. Ich nahm meinen Mut zusammen und legte die Karten auf den Tisch. „Da wäre nur ein Problem.“ Meine Hand ruhte auf dem Pistolengriff, einer neuen Glock 9 Millimeter. Doch ich würde sie nicht brauchen. Zumindest hoffte ich das. Ich war nicht in der Verfassung, mich mit ihm rumzuärgern, falls er fies wurde.
Aber versuchen würde ich es trotzdem, falls diese Sache hier nach hinten losging.
„Was?“, blaffte er und wieder schepperte Glas. Die Fensterscheiben, die den Blick auf die leere Tanzfläche unten freigaben, bogen sich in ihren Rahmen.
„Wie viel hat sie dir abgeknöpft? Belisa, meine ich. Wie tief hattest du eigentlich deine Tentakel in diesem abgekarteten Spiel?“
Schweigen.
Ich badete mich in einem warmen Gefühl der Genugtuung, es fing in den Zehen an und stieg immer weiter nach oben. Hab ich’s doch gewusst. Du Scheißkerl von einer gottverfluchten Höllenbrut! Arschloch.
Schlagartig war mir alles klar geworden, als ich wieder einmal bibbernd unter der Dusche stand und versuchte, mir den Gestank des Namenlosen von der Haut abzuschrubben. Kurz bevor ich ihm in den Kopf geschossen hatte, hatte Perry diesen Namen benutzt, den Namen meines toten Ich. Ein Name, den er auf keinen Fall wissen konnte, es sei denn, er hatte einen gemütlichen Plausch mit jemandem gehabt, der Michails vertrauliche Papiere durchwühlt hatte.
Jemand wie Melisande Belisa, die ebendiese Informationen für Inez zu einer Akte zusammengefasst hatte, damit die mich damit verhöhnen konnte.
Natürlich hatte ich so was in der Art schon vermutet. Zuerst der Trader, der Sklavenhandel betreibt und ausgerechnet im Monde untertaucht, nachdem ich alle seine übrigen Verstecke hochgejagt hatte. Dann beschattet Perry mich, noch bevor er eigentlich wissen kann, dass ich ernsthaft in Gefahr bin. Und dann seine Warnung, dass er mich nur bis zu einem gewissen Grad beschützen könne – was an sich nicht viel aussagt, denn Perry tut immer gerne so, als wüsste er über alles Bescheid, was in der Stadt vor sich geht. Doch nahm man alles zusammen, ergab es ein hübsches Gesamtbild.
Und zwar ein vernichtendes. Obendrein hatte Perry Belisa mit minimalem Aufwand aufgetrieben, und sie hatte gerade mal ein blaues Auge und geprellte Rippen davongetragen.
Alles nur Show.
Jetzt war ich meiner Sache sicher und fuhr fort: „Sie hat dich aufs Kreuz gelegt, stimmt’s? Während ihr mich mit den anderen Fällen beschäftigt habt, sind die Sorrow in die Stadt eingezogen. Nur wusstest du nicht, dass ich die Hauptrolle in Inez’ großem Plan spielen sollte, wenn ihr Herr und Meister erst einmal an die Pforte klopfte. Deshalb bist du auch bei Elizondo dazwischengegangen – er spielte nur eine kleine Nebenrolle, aber du konntest nicht zulassen, dass er etwas ausplauderte.“ Ich schluckte, mein Mund war ganz trocken. „Wie viel, Perry? Wie viel hast du bei diesem Geschäft verloren?“
Noch ein Schulterzucken. „Geld. Nur Geld.“ Doch sein Ton verriet mir, dass er log. Er hatte noch etwas anderes eingebüßt.
Und ich hatte eine ziemlich gute Vorstellung davon, worum es sich dabei handelte. „Belisa hat mit mir gespielt wie mit einer Schachfigur. Und mit dir hat sie dasselbe gemacht.“
„Die Katze hätte bei dir sein sollen …“, informierte er mich geradeheraus, „… als man den Wendigo ausschickte. Nicht du warst das Ziel der Bestie.“
Deshalb haben mir diese Söldner den Ausweg versperrt. Nur hatten sie nicht voraussehen können, dass ich Saul nicht mitnehmen würde. Mir wurde nacheinander kalt und furchtbar heiß. „Aber keiner hatte damit gerechnet, dass wir unten am Broadway nach einem Zeugen suchen würden.“ Nach ihrem Plan hätten wir eigentlich die Straßen nach Hinweisen auf die vermissten Nutten
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