Schattenjagd
stummen Tränen.
Leder knarzte, als ich die Waffen wegsteckte.
„Ich h-heiße C-Cecilia“, flüsterte sie. Dann sagte sie die Zauberworte. „Ich … ahm, ich … kannst du m-mir h-helfen?“
Ich untersuchte sie auf Nadeleinstiche, auf Veränderungen der Nasenhaut, die auf Koks hindeuten, auf den Geruch nach verbranntem Metall, der Meth bedeutet. Abgesehen vom üblichen Hauch von Gras und Bier schien sie sauber zu sein. Außerdem war sie so schrecklich dünn, dass es mich kein bisschen wunderte, als sie die Überreste an Pasta und Steak in sich hineinschaufelte. „Du solltest es langsamer angehen.“ Ich schenkte mir einen doppelten Scotch ein. Ich trinke verflucht noch mal zu viel. „Sonst kommt dir alles wieder hoch.“
Sie guckte wie ein Eichhörnchen, wenn’s donnert, und ich bekam sofort ein höllisch schlechtes Gewissen. Also schenkte ich ihr ein Glas Orangensaft ein und sah auf die Uhr.
Halb vier Uhr morgens. Wie lange hatte sie schon da draußen gesessen und auf mich gewartet? Ein lausiger Mensch, und ich hatte nichts davon gemerkt – wurde ich langsam nachlässig? Andererseits war ich darauf getrimmt, Dinger wie Arkel und Trader aufzuspüren, die mir an den Kragen wollten. Keine verwahrlosten kleinen Mädchen.
„Du bist Rickys Mädchen Nummer eins, richtig? Die Chefin seiner Truppe?“ Die eine, die dafür sorgt, dass keine der anderen aus der Reihe tanzt.
Sie nickte und stopfte sich noch einen Löffel voll Nudeln in den Mund. Ich konnte es ihr nachfühlen, Sauls Tomatensoße ist schweinisch lecker. Dann wischte sie sich den Mund mit einer Papierserviette ab und schniefte laut. „I-Ich hab ihn getroffen, als ich noch auf die Highschool gegangen bin. Ich …“
Himmel. Lass stecken. Ich schüttelte den Kopf. „Süße, es ist doch immer die gleiche Geschichte, die einen in dieses Leben verfrachtet. Und die kenne ich schon. Also, was ist los?“
Sie starrte auf ihren Teller und hatte offenbar den Appetit verloren. Also sprach ich sanfter und versuchte es noch einmal. Einfühlsamkeit gehört nicht zu meinen Stärken.
„Hat Ricky dich so zugerichtet?“
Sie nickte. Tränen flossen aus ihren traurigen braunen Augen. Mein Geduldsfaden wurde dünner. Das war ja wie Zähneziehen! Ich setzte mich auf den Barhocker neben ihr. „Weil …?“
„Ich … ich was weiß.“
Darauf war ich nie gekommen. Aber was hast du vor meiner Tür verloren, Weib? „Was denn zum Beispiel? Was weißt du?“
Sie schnappte nach Luft. „Ich war mit Baby Jewel befreundet. Und mit Sweet Sylvie. Es … weißt du, in letzter Zeit verschwinden ganz furchtbar viele Mädchen. Es ist schwer, bei den vielen Leuten die Übersicht zu behalten. Ständig zieht jemand ein oder aus, einige verschlägt es auf den Strich in den Norden, andere gehen zurück in den Osten – es ist echt schwierig.“
Ich nickte. Der Schweiß auf meiner Stirn war getrocknet, mein Hemd klebte förmlich an mir. Ich roch nach hartem Training und verschüttetem Brandy.
Und Höllenbrut. Wie könnte ich die Höllenbrut vergessen! Verflucht seist du, Perry. Er hatte es erschreckend leicht geschafft, in meinen Kopf einzudringen, und noch dazu so plötzlich, dass es mir den Atem verschlagen hatte. Hatte er die ganze Zeit nur so getan, als würde er mich nicht durchschauen, und dabei lediglich auf den richtigen Augenblick gewartet? „Ich kenne das.“
Sie schob sich den nächsten Löffel Pasta in den Mund, kaute und schluckte. „Immer wieder verschwindet jemand, das geht schon eine ganze Weile so. Auch vorher gab es Gerüchte. Aber seit … oh, seit dem Frühling, da ist es wirklich schlimm gewesen. Seit der einen Woche, wo es so viele Überschwemmungen gegeben hat, wegen dem vielen Regen.“
In den Sturzfluten waren einige Menschen umgekommen. Hauptsächlich Idioten, aber der Regen hatte auch die Jagd auf einen gewissen Trader-Serienvergewaltiger zur Tortur gemacht. Seit dem Frühling hast du keine freie Woche mehr gehabt, hörte ich Sauls Stimme in meinem Kopf wispern. Er würde zurück zum Monde gehen, um mich zu suchen. Verflucht.
„Wie schlimm?“
„Schlimm genug, dass die Mädels allmählich verzweifeln. Sie …“ Sie warf mir einen unsicheren Blick zu, als wäge sie ab, wie viel sie mir von der Schattenwelt erzählen könne. Das fand ich zum Brüllen komisch. Dachte sie etwa, ich sei ein normaler Cop oder hätte einen normalen Job?
Zum Teufel mit toten Huren, verfolgte mich meine eigene Stimme. „Schon okay, Kleine. Glaub mir, du kannst mir
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