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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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etwas lag, dessen lange Form sich in der zwei Meter hohen Spiegelverkleidung doppelte. Jeder Schritt schien eine Ewigkeit zu dauern.
    Die Seide glitt durch meine Finger, gerade, als es zum dritten Mal gegen die Tür donnerte. I hear you knockin, schmetterte ein durchgeknallter Little Richard in meinem Kopf, but you caint come in!
    „Schnauze!“, blaffte ich mich selbst an und riss das Tuch mit einem Ruck zur Seite.
    Vor zerstörerischer Kraft sirrend, hing vor mir der lange, mit filigranen Gravierungen verzierte Eisenstab. An beiden Enden knurrte ein zierlicher Drachenkopf. Ich zerrte mir das Lederband vom Handgelenk und keuchte, als mit einem Mal Luft gegen die sensible Haut schlug. Als ich die rechte Hand um den dünnen Stab schloss, fühlte ich, wie mich sirrende Sphärenenergie einhüllte.
    Das Eisen brannte, und Schmerz schoss mir in den Arm. „Du sollst mir dienen“, flüsterte ich. „Im Namen des Zerstörers, du sollst mir dienen!“
    Die Waffe gab nach, und ich hob sie von der Wand, so fest umklammert, dass meine Knöchel auf dem geölten, glänzenden Metall weiß hervorstanden. Nur ein einziges Mal hatte sie meinen Willen auf die Probe gestellt, damals, während eines heftigen Kampfes im Innern eines geweihten Kreises – der letzte Test, bevor ich in die Hölle hinabstieg und zur vollwertigen Jägerin wurde. Störrisch bockte der Stab in meinem Griff, zu viel Blut und Gewalt durchsetzten meine Aura, und zu lange war es her, dass ich ihn zuletzt benutzt hatte. Selbst seine überschüssige Energie hatte ich lange schon nicht mehr abfließen lassen. Es würde einige Tage dauern, bis ich ihn wenigstens auf die Hälfte seiner Kraft runtergefahren hätte, und so lange würde ich wohl eine blutende Nase in Kauf nehmen müssen.
    Vorausgesetzt, das, was mir bevorstand, würde nicht ohnehin die gesamte Energie der Waffe kosten und ich blieb am Leben.
    Ach, wenn ich doch nur die Peitsche benutzen könnte. Ich packte fester zu, wirbelte herum und testete den Griff. Mit einem süßen leisen Pfeifen durchschnitten die Drachenköpfe die Luft. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und rannte zur Eingangstür.
    Der Sphärenschutz, der in meinen Wänden saß, kreischte und bekam Risse, während auch die physische Barrikade nachgab. Ich grub die Fersen in den Boden und kam im Wohnzimmer zum Stehen, hielt den Stab im leicht schrägen Winkel vor mir und spürte den Schmerz in meinen Händen, wo sie das eiskalte Metall berührten. Dann wurde er plötzlich immer wärmer und vibrierte ungeduldig, und auch meine Narbe erhitzte sich, wurde wieder härter.
    „Komm zu Mama, du Haufen Scheiße“, raunte ich, und im nächsten Moment krachte die Kreatur durch die bröckelnde Mauer. Stahlträger brachen, ganze Betonblöcke und Holzbretter flogen durch die Gegend, und der Stab in meinen Händen erwachte zum Leben, ruckte hoch. Mit einem leisen Klicken sprangen tödlich geschwungene Klingen aus den Mäulern der Drachen. Warmes elektrisches Licht fiel auf das Biest, das sich nun auf mich stürzte, und ließ etwas Silbernes an seinem kranken Nacken aufglimmen.
    Wie üblich, wenn ich mit dem Stock kämpfte, schienen die Dinge merkwürdig langsam abzulaufen. Ich verlagerte das Gewicht, schob die Hüfte nach vorn – die Hüfte ist immer das Entscheidende, egal ob man mit Peitsche oder Stab arbeitet. Die Messer fuhren sirrend durch den Raum, als die komplizierte Drehbewegung, die ich vollführte, so schnell wurde, dass man sie nur noch verschwommen wahrnahm.
    Dann kam der Aufprall.
    Sie traf mich mit voller Wucht, diese gebückte, agile und irgendwie falsche Gestalt, deren Anblick mir in den Augen wehtat. Biegsam und als wäre er lebendig, machte der Stab einen gewaltigen Ruck, sang sein Lied von Blutrausch und schnitt in das übernatürliche Fleisch. Fell flog durch die Luft, und erstickender Gestank hüllte mich ein. Wer nicht atmet, kann nicht kämpfen. Trotzdem würde ich nicht aufgeben. Dann explodierte etwas Schwarzes und Fauliges, Kälte attackierte mich, so eisig und schneidend wie eine Klinge. Ich schmeckte Galle und war froh, dass ich heute noch nichts gegessen hatte, denn der Scotch in meinem Magen fing an zu brodeln und wollte auf die harte Tour wieder raus.
    Und wie immer, wenn der Stab in meinen Händen lag und die Zeit um mich herum stillzustehen schien, die Drachen ihr blutdurstiges Stöhnen anstimmten und die Schneiden durch die Luft glitten, während ich mich schlurfend zurückziehen wollte, fühlte ich es. Die ganze

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