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Schattenjagd

Schattenjagd

Titel: Schattenjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilith Saintcrow
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Welt wurde glasklar, alles erschien schlicht und simpel.
    Töten oder getötet werden.
    Noch ein würgender Atemzug, dann federte ich hoch in die klirrende Kälte, während der Stab beinahe von selbst in Windeseile ein kompliziertes Manöver vollführte. In meinem Kopf hörte ich Michail brüllen, die gesamte Welt schrumpfte zusammen auf ein Ziel. Niemals stehen bleiben, beweg dich, beweg dich, beweg dich. Keine Zeit zum Nachdenken, was jetzt zählt, sind einzig trainierte Reflexe, die dennoch auf eine Menge wichtiger Gedanken reagieren. Der schnellste Kerl auf Erden kann immer noch eine Dummheit begehen und daran sterben. Schnelligkeit allein ist nicht genug, man muss auch wissen, wie man sich zu bewegen hat.
    Das Monstrum heulte auf und stürmte erneut auf mich zu. Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit einem Menschen, trotz der Klauen, die eins der Drachenmesser abwehrten. Der Stab gab alles, während er zufrieden summte, als hätte er wieder eine würdige Herausforderung gefunden. Mir taten die Arme weh, vor allem die Narbe schmerzte, die wie ein feuriger Knoten auf meiner Haut saß und Sphärenenergie in mich pumpte. Doch das wilde, aufputschende Gefühl der Erregung, das in meiner Brust tobte, ließ nicht nach. Und mir war klar, wer diesen grässlichen Laut ausstieß, der das Knurren und Heulen der Kreatur – ein Geräusch wie von Nägeln auf einer Schiefertafel – übertönte.
    Es war ein hohes, gruseliges Kichern, klar wie Kristall und kalt wie Mitternacht in einem mondlosen Raum. Es war meine eigene Stimme, die rasend vor Wut und Blutgier lachte. Durch die Narbe floss Stärke wie warmer Wein in meine Glieder, und die Amulette in meinem Haar klapperten und schlugen funkensprühend aneinander.
    Das Monstrum machte einen Schritt zurück und knurrte. Ich knurrte zurück, die Mordlust juckte mir in den Fingern, und mein Atem hing in kleinen Eiskristallen in der Luft. Das Ding hatte die vage Form eines Menschen, und mittlerweile war ich schon so weggetreten, dass ich es wagte, hinter die Kulisse aus Haaren und dem blendenden Schleier zu spitzen. Wenn auch nur für einen Augenblick, denn ich wollte wissen, was das für ein silbernes Glitzern an seinem Hals war. Eine Kette? Eine Leine? Wer weiß?
    Es wich weiter zurück und hielt das linke Vorderbein in die Höhe, als hätte ich es verwundet. Schwarzer Schleim tropfte zu Boden und dampfte in der Kälte.
    Abermals stieß ich dieses klirrende, grauenhafte Lachen aus, das Glas zum Splittern brachte und die Bodendielen aufbrechen ließ. Töte es. Töte es. Töte es.
    Plötzlich fuhr ein knisternder Blitz aus blauem Höllenfeuer auf das Geschöpf nieder. Es heulte auf und humpelte mit schweren Schritten eilig davon. Ich hörte die Trommelschläge seiner Tritte auf der Erde, als es flüchtete, und fuhr im selben Moment herum, um mich dieser neuen Bedrohung zu widmen.
    Die Narbe war unbeschreiblich heiß und hatte sich fest zusammengezogen. Wie eine Unwetterfront fühlte ich Perry auf mich zukommen, der Luftdruck veränderte sich, als wolle er ein Gewitter ankündigen. Doch etwas anderes ließ mich erstarren. Inmitten des Schlachtfelds stand Saul mit den Händen tief in den Manteltaschen, die Augen dunkel und unergründlich, und betrachtete mich. Seine Haut dampfte. Die Couch war ein Trümmerhaufen, die Küche war hoffnungslos verwüstet, jeder Spiegel und jedes Fenster war geborsten und mit Eis überzogen.
    Und noch immer hielt ich den Stab fest umklammert. Die Klingen summten, wachsam, gierig. Töten?, sang das lange Metallstück mit Infraschall, das zu Zeiten des jungen Atlantis schon alt gewesen war. Töten? Töten? Vernichten?
    Aus welcher Zivilisation das Artefakt stammte, wusste ich nicht. Auch Michail hatte es nicht gewusst. Aber seit ein höchst fortschrittliches Volk diese Eisenstange zu einem langen Zauberstab mit stilisierten Drachenköpfen an beiden Enden geformt hatte – und frag mich nicht, woher wir überhaupt wissen, dass es Drachenköpfe sind, wir tun es einfach –, war es nur für einen einzigen Zweck gebraucht worden.
    Blutvergießen. Zerstörung. Seit seiner Erschaffung war das Geheimnis, wie man den Stock benutzte, von Jäger zu Jäger weitergegeben worden. Nie war diese Erbfolge abgerissen -zumindest hatte Michail das behauptet.
    Und ich hatte keinen Grund, das infrage zu stellen. Einmal, und nur einmal, meine ich erblickt zu haben, wie die Welt ausgesehen haben muss, als der Stab gegossen wurde. Weil ich damals nicht total durchgedreht war,

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