Schattenjahre (German Edition)
seine Eifersucht zu verbergen. Aber Liz’ bebende Lippen und der Ausdruck in ihren Augen beruhigten ihn sofort.
„Nein“, entgegnete sie wahrheitsgemäß. „Und ich habe auch danach niemanden geliebt. Ich bin zufrieden in meiner Ehe …“ Lügnerin, tadelte eine innere Stimme. Vielleicht warst du mal zufrieden. Jetzt bist du es nicht mehr – nicht mehr seit …
„Zufrieden?“, wiederholte Lewis ungläubig. „Du empfindest Zufriedenheit, wenn du mit einem Mann zusammenlebst, der dich jederzeit ermorden könnte?“
An Edwards Attacke wollte sie nicht erinnert werden. Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann heftig zu zittern. Obwohl sie sich dagegen wehrte – sie musste an die hilflose Angst denken, die sie überwältigt hatte, als sie zu schwach gewesen war, um sich vom Würgegriff ihres Mannes zu befreien.
„O Liz, mein Liebling! Bitte, nicht …“ Sie spürte, wie das Bett unter Lewis’ Gewicht nachgab, wie er sie in die Arme nahm, hörte dicht an ihrem Ohr all die süßen geflüsterten Liebesworte, nach denen sich ihr einsames Herz gesehnt hatte.
Er küsste sie, streichelte ihr Haar, und sie sagte sich verzweifelt, dass sie es nicht erlauben durfte. Aber in diesen Zärtlichkeiten lag so viel Wärme, so viel Liebe, und ihre hungernden Sinne weigerten sich, dem warnenden Befehl der Vernunft zu folgen.
Statt ihm zu erklären, er müsse gehen, sein Bleiben würde die Situation nur verschlimmern, erzählte sie noch mehr von ihrer Ehe. Sie berichtete auch von der unglücklichen Affäre mit Kit, von ihrem Sohn. Und zögernd gestand sie ihre Unfähigkeit, sexuelle Leidenschaft zu fühlen.
„Falls du mir das sagst, um mich abzuschrecken, verschwendest du nur deine Zeit“, erwiderte Lewis. „Ich liebe und begehre dich, Darling …“ Sanft strich er ihr das Haar aus der Stirn und schaute in ihre Augen. „Verlass ihn – sofort. Von jetzt an werde ich für dich sorgen.“
Für einen wilden, verrückten Moment schwankte sie. Hatte sie nicht das Recht, dieses kostbare, unverhoffte Glück festzuhalten? Durfte es dieser Liebe verwehrt werden, zu wachsen und zu gedeihen? Was immer sie opfern musste, um mit Lewis zusammen zu sein – es würde sich lohnen … Doch dann gewann ihre Vernunft wieder die Oberhand. Die Erfüllung dieses Traums war unmöglich. „Es geht nicht … Bitte, versuch doch, mich zu verstehen, Lewis …“
„Ich verstehe nur, dass ich dich liebe“, unterbrach er sie. „Und dass du mich liebst. Streite es nicht ab! Ich lese es in deinen Augen, spüre es in deinem Herzschlag, wenn ich dich umarme. Wir sind füreinander bestimmt, Liz. Du würdest dich versündigen, wenn du bei Edward bliebst, ohne ihn zu lieben. Das wäre eine Sünde – nicht dein Entschluss, ihn zu verlassen und mit mir zu kommen.“
Sie schloss die Augen, ein unerträglicher Schmerz stieg in ihrer Brust auf. Wie gern würde sie Ja sagen, alles andere wegwerfen und Lewis nach Australien folgen … Wäre sie immer noch ein siebzehnjähriges Mädchen, würde sie es vielleicht tun … Aber dieses Mädchen war sie nicht mehr, sondern eine Frau, ein Jahrzehnt älter und viel klüger.
Während sie ihn ansah, spürte sie, wie das Leid in ihr wuchs. Für den Rest ihres Lebens würde sie ihn lieben, das wusste sie. Sanft berührte sie seinen gesenkten Kopf, kämpfte mit den Tränen und fragte sich, welch ein grausames Schicksal ihn in ihr Leben gesandt hatte, wo es doch gar keinen Platz für ihn gab. „Ich kann mich nicht von Edward trennen.“
Er blickte auf, wollte wiederholen, ihr kostbarer Ehemann habe sie beinahe getötet. Doch dann fiel sein Blick auf die roten Male an ihrem Hals. Er entdeckte die Verzweiflung in ihren Augen und verfluchte seine Selbstsucht. „Jetzt musst du dich erst mal ausruhen. Der Doktor hat Schlaftabletten dagelassen.“
Sofort schüttelte sie den Kopf. „Ich möchte nur ein Glas warme Milch.“ Sie wusste, dass sie ihn nun bitten müsste zu gehen. Seine Anwesenheit war überflüssig. Chivers betreute sie, und morgen würde sie sicher genug Kräfte gesammelt haben, um aufzustehen und ihr normales Leben weiterzuführen. Es gab viel zu tun. Sie musste Ian anrufen, Edward im Krankenhaus besuchen …
Edward. Ihr Gehirn weigerte sich, an ihn zu denken, ihr Körper verkrampfte sich, als sie sich das Wiedersehen vorstellte. Aber sie hatte keine Wahl. Wie konnte sie ihn verlassen, wo er sie doch so dringend brauchte? Wie andere Leute urteilen mochten, spielte keine Rolle. Es kam nur darauf
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