Schattenjahre (German Edition)
an, wie sie sich selbst einschätzen würde, wenn sie ihm jetzt den Rücken kehrte.
„Ich bringe dir die Milch“, erbot sich Lewis. „Und wag dich bloß nicht aus dem Bett! Dieser Befehl stammt nicht von mir, sondern von deinem Arzt.“
Als er aufstand, drehte sie den Kopf zur Seite, und die Würgemale an ihrem Hals waren noch deutlicher zu sehen. Neue Wut stieg in Lewis auf. Wäre Edward jetzt hier in diesem Zimmer, dachte er, ich könnte mich wohl kaum beherrschen und würde mich auf ihn stürzen, um ihn ganz langsam zu erdrosseln …
Unwillkürlich strich er mit den Fingerspitzen behutsam über die bläulichen Flecken. Erschauernd schloss Liz die Augen, und er beugte sich hinab, um ihren Hals ganz vorsichtig zu küssen. Ihr Zittern wurde heftiger, und er richtete sich hastig auf. „Es ist wohl besser, ich verschwinde jetzt und hole die Milch.“
Nachdem er aus dem Zimmer gegangen war, nahm Liz sich vor, ihm bei seiner Rückkehr sofort zu sagen, er müsse das Haus verlassen. Doch ihre Hand glitt über die Stelle, die er geküsst hatte. Heiße Wellen jagten durch ihren Körper und verscheuchten alle vernünftigen Gedanken.
Es dauerte eine Weile, bis sie wieder klar denken konnte. Wie albern, müßig im Bett zu liegen, wo sie doch so viel zu tun hatte … Aber sie fühlte sich so schwach und erschöpft. Die Augen fielen ihr zu, und sie beschloss, sich noch etwas auszuruhen, bis sie die Milch getrunken hatte. Danach würde sie aufstehen und Lewis bitten, seinen Besuch zu beenden.
Doch als er mit der warmen Milch ins Zimmer trat, schlief Liz tief und fest. Er betrachtete sieeine Zeit lang, dann stellte er das Tablett ab. Irgendwie musste er sie davon überzeugen, dass sie nicht in Edwards Schuld stand. Er würde einen Weg finden, die geliebte Frau und ihr Kind nach Australien mitnehmen und nichts konnte ihn daran hindern.
Liz träumte, sie würde im Garten sitzen und den warmen Sonnenschein genießen.
Plötzlich kroch ein Schatten vor das helle Licht. Sie hob den Kopf, und ihr Glück wurde von kaltem Entsetzen verdrängt, als sie den Schatten erkannte. Edward kam auf sie zu, die Augen voller Hass. Sie rief, er dürfe nicht näher kommen. Doch er ignorierte ihre Worte, griff nach ihr, und sie konnte sich nicht rühren, obwohl sie wusste, er würde ihr wehtun, sie vielleicht sogar töten … Sie glaubte, bereits den Druck seiner harten Finger auf ihrer Kehle zu spüren …
Ihr Angstschrei weckte Lewis, der im Sessel eingeschlafen war. Steifbeinig sprang er auf, rannte zum Bett, zog Liz hoch und riss sie in die Arme, erstickte den schrillen Klagelaut an seiner Brust.
Dann setzte er sich auf den Bettrand, wiegte sie sanft hin und her, schlang die Finger in ihr Haar, flüsterte tröstliche Worte in ihr Ohr.
Aufatmend merkte sie, dass es nur ein böser Traum gewesen war, dass Edward sie nicht wirklich bedrohte. Maßlose Erleichterung brachte die warnende innere Stimme zum Schweigen, die Liz drängte, nicht an die Gegenwart, sondern an die Zukunft zu denken. Zitternd lag sie in Lewis’ Armen. Seine Lippen liebkosten ihre Schläfe, ihre Wange. Langsam wandte sie das Gesicht zu ihm.
„Liz …“ Deutlich nahm sie die heiße Leidenschaft in seiner Stimme wahr. Er durfte nicht bei ihr bleiben … Aber es war zu spät. Er küsste ihren Mund, so betörend, so unwiderstehlich. Hilflos öffnete sie die Lippen.
Nie hatte sie auch nur geahnt, dass es solche Küsse gab, die eine ganze Welt voll intimer Nähe enthielten … Küsse, die ihre Knochen zu schmelzen schienen, ihre Sinne verwirrten, die sie unschuldig erwiderte, als wäre Lewis ihr erster Liebhaber … Und das war er ja auch.
In seinen Berührungen lag keine Ungeduld, keine Eile. Entzückt beobachtete er, wie Liz’ Blick ihre Verwunderung über die Geschehnisse widerspiegelte. Langsam und vorsichtig zog er sie aus, küsste die geschwollenen Würgemale an ihrem Hals, den rasenden Puls. Dunkelheit erfüllte das Zimmer, hüllte ihren Körper in Schatten, und Lewis musste seine Hände benutzen, um ihn kennenzulernen, weil er ihn nicht sah.
Während er über ihre nackte Haut strich, spürte er, wie sie sich anspannte. Sofort hielt er inne, voller Mitleid, voller Zorn auf den Mann, der solche Ängste entfacht hatte. „Du brauchst dich nicht zu fürchten. Ich werde dir nicht wehtun.“
„Ich weiß.“ Die wunde Kehle erschwerte ihr das Sprechen immer noch. „Ich habe nur Angst, dich zu enttäuschen.“ Dieses Geständnis fiel ihr nicht leicht. Sie schloss
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