Schattenjahre (German Edition)
verschleierten Augen erwiderte sie seinen Blick und glaubte im Himmel zu sein – in einem sicheren Hafen, den sie nie mehr verlassen wollte. Aber als sie vollends ins Bewusstsein zurückkehrte, erkannte sie, dass ihr Wunsch unerfüllbar war, so gern sie auch für immer im Schutz dieser starken Arme geblieben wäre.
Sie hörte Schritte im Kies und befreite sich aus Lewis’ Armen. Ian sank neben ihr auf die Knie. „Liz, mein Liebes, bist du okay?“
Es war Lewis, der mit schneidender Stimme antwortete: „Natürlich ist sie nicht okay. Dieser Idiot hätte sie beinahe umgebracht.“
„Es geht mir gut, Ian“, versicherte Liz und lächelte zitternd.
„Es geht ihr nicht gut“, widersprach Lewis energisch. „Schauen Sie sich doch ihren Hals an, Doktor! Wäre ich ein paar Sekunden später gekommen …“
„Es war ein Unfall“, protestierte sie. „Edward wollte nicht …“ Flehend sah sie Ian an, doch er schüttelte resigniert den Kopf.
„Tut mir leid, Liebes. Ich weiß, du versuchst ihn zu schützen, aber wir müssen ihn in eine Klinik bringen – zu seinem eigenen Besten. Diese Anfälle geraten außer Kontrolle. Wäre Mr McLaren nicht im letzten Moment aufgetaucht …“
„Dann hätte er sie umgebracht“, ergänzte Lewis.
„Das – das ist nicht wahr“, stammelte Liz.
„Du musst einsehen, dass wir nichts mehr riskieren dürfen“, erwiderte der Arzt. „Edward wehrt sich gegen stärkere Medikamente, doch nun muss ich ihn zwingen, sie wenigstens zu probieren. Und während dieser Zeit ist er in einem Krankenhaus am besten aufgehoben. Mach dir keine Sorgen, du kannst ihn besuchen, sooft du willst.“
„Er wird solche Angst haben“, klagte sie.
„Nun, er ist ein erwachsener Mann, kein Kind mehr. Und eines solltest du bedenken – im Augenblick richtet sich sein Zorn nur gegen dich. Aber was geschieht, wenn er jemand anderen bedroht – David, Chivers oder einen Fremden? Du magst das Recht haben, dein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. Aber wenn Edward jemand anderen verletzt oder gar tötet – wie wäre dir dann zumute?“ Ian hasste es, so grausame Worte auszusprechen, doch es war notwendig. Und wie Liz’ blasses Gesicht verriet, hatten seine Argumente ihre Wirkung nicht verfehlt.
„Du solltest nicht bei mir sein“, flüsterte sie. „Edward braucht dich dringender.“ „Chivers hat ihm klugerweise Schlaftabletten gegeben. Wir bringen dich jetzt nach oben, dort will ich dich gründlich untersuchen. Wenn Mr McLaren dich tragen würde …“
„Nein!“ Ihr scharfer Ton veranlasste Ian, die Brauen zu heben. „Ich kann gehen.“
Nur mühsam hielt sie sich auf den Beinen, und während sie die Treppe hinaufstiegen, griff sie immer wieder Halt suchend nach Lewis’ Arm. Taktvoll wurde er von Ian aus ihrem Schlafzimmer verbannt.
Nach der Untersuchung setzte sich der Arzt zu ihr aufs Bett. „Ein Glück, dass du noch lebst. Und Edward soll froh sein, weil er nur ins Krankenhaus gebracht wird – nicht ins Gefängnis.“
„Ich fühle mich kein bisschen glücklich“, gestand Liz. „Mein Hals tut so weh, dass ich kaum sprechen kann.“ Sie lächelte – ein erfolgloser Versuch, den Zwischenfall zu bagatellisieren.
„Du wirst noch ziemlich lange Schmerzen haben. Jetzt verstehst du wohl, warum Edward in eine Klinik eingeliefert werden muss. Als sein Arzt bestehe ich auf sofortigen Maßnahmen. Darf ich dein Telefon benutzen?“
„Hier zu Hause kann genauso viel für ihn getan werden wie im Krankenhaus“, wandte Liz ein.
„Keineswegs. Das Klinikpersonal wird die Wirkung der neuen Medikamente viel genauer beobachten und alles besser unter Kontrolle haben. Es ist wirklich nicht zu vermeiden, und diesmal musst du meine Entscheidung akzeptieren, Liz. Wenn ich jetzt nichts unternehme – wenn Edward dich noch einmal angreift oder jemand anders –, dann wäre ich dafür verantwortlich. Und ich möchte keinen Todesfall auf mein Gewissen laden. Ruh dich jetzt aus. Ich gehe nach unten, rufe die Klinik an und organisiere ein Bett für Edward. Wenn er aufwacht, werde ich bei ihm sein und alles erklären. Das verspreche ich dir.“
Er sah, wie sie antworten wollte, und schüttelte den Kopf. „Du solltest deinen Hals schonen. Außerdem weiß ich ohnehin, was du zu sagen versuchst. Du willst bei Edward sein, wenn er aufwacht. Nun, ausnahmsweise muss er ohne dich auskommen. Und glaub mir – sobald du morgen früh aufwachst, wird dein Hals höllisch brennen. Dann wirst du froh sein, dass ich dir
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