Schattenjahre (German Edition)
mehr existieren. Beschämt ahnte sie, dass er seit dem Tod von Edwards Großvater keinen Lohn bekommen hatte. Doch sie brachte es nicht über sich, mit ihrem Mann darüber zu reden. Vielleicht würde sie mehr erfahren, wenn sich der Anwalt meldete.
Während sie das Landgut erforschte, orientierte sie sich an einer Kopie der Originalkarte, von ihr selbst angefertigt. Vic und der Herde wich sie aus, ohne zu wissen, warum. Instinktiv spürte sie, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Aber seine männliche Kraft machte ihr irgendwie Angst.
Der Besuch des Anwalts war sehr aufschlussreich. Die Rieselwiesen gehörten nach wie vor den Danvers, und er schüttelte verständnislos den Kopf, als Edward ihm mitteilte, die Pacht würde nicht mehr bezahlt. Diese Angelegenheit müsse sofort geregelt werden, betonte er.
Peter Allwood war ein kleiner, dünner Mann mit präziser, trockener Sprechweise. Sein Entsetzen angesichts des verfallenen Hauses verbarg er ebenso wie seine Verblüffung über Edwards Heirat und die Schwangerschaft der jungen Frau.
Nachdem er sich verabschiedet hatte, konsultierte Edward den Doktor, um sich erklären zu lassen, wie man das Problem der ausstehenden Pacht am besten lösen könnte. Liz stellte fest, dass er Ian Holmes zu vertrauen begann. Auch sie mochte die zupackende Art des Doktors.
Nun näherte sie sich dem siebenten Monat ihrer Schwangerschaft, und der Körper bereitete sich auf die Geburt vor. Sie verspürte den seltsamen Wunsch, ihr Kind möge im Frühling zur Welt kommen, wenn der Lebenszyklus der Natur begann, nicht im Januar, wenn er endete. Wenn sie Edward auch nicht alarmieren wollte – sie fürchtete den bevorstehenden Winter. Schon im November lag Schnee in der Luft, und der Brennholzstapel im Stall hatte sich bedrohlich verkleinert. Auf ihren Spaziergängen hatte sie Bäume gesehen, die gefällt werden konnten, aber wer sollte diese Arbeit übernehmen? Sie durften nicht ständig auf die Hilfe ihrer Nachbarn bauen. Und Edward war so empfindlich, was seine Unfähigkeit betraf, irgendwelche Tätigkeiten auszuführen.
Ian Holmes erbot sich, Jim Sutton mitzuteilen, der Gutsherr wolle ihn wegen der Pacht sprechen. Dann erkundigte er sich nach Liz’ Befinden. Die Danvers hatten zwar den Sommer und den Herbst bewältigt, doch er war sich nicht sicher, wie sie den Winter überstehen würden. Darüber hatte er mit dem jungen Vic geredet, dem er am Vortag im Dorf begegnet war. Die beiden brauchten einen tüchtigen, verlässlichen Farmarbeiter – jemanden, der Holz hackte, das Unkraut im Gemüsegarten jätete, jeden Morgen Feuer im Herd machte, um Liz diese Mühe zu ersparen, und kleinere Reparaturen vornahm, damit das Haus nicht noch mehr verfiel.
Das erwähnte er auch Edward gegenüber und meinte, das Pachtgeld könnte verwendet werden, um eine Hilfskraft zu bezahlen.
„Ja, wir müssten jemanden einstellen“, stimmte Edward zu, fuhr aber skeptisch fort: „Aber es gibt keine guten Leute, die arbeitslos sind.“
„Täglich kommen Männer aus dem Krieg zurück und suchen Jobs“, erinnerte ihn der Arzt.
Liz hoffte, die von Ian gestreute Saat würde Wurzeln schlagen. Schon längst hatte sie Edward bitten wollen, eine Hilfskraft zu engagieren. Doch mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, wie altmodisch er dachte und wie sehr es ihn störte, wenn solche Anregungen von ihr stammten. Sie war eine Frau, und deshalb gehörte sie in den Salon, von wo aus sie den Haushalt und das Personal überwachen sollte. So sah er ihre Rolle im Leben, ohne zu berücksichtigen, dass im Salon die Tünche von der Decke abblätterte und Schimmelpilze die Tapeten zerfraßen. Er hatte seine fixen Ideen, und er weigerte sich, die aufzugeben, wohl aus Angst, sonst könnte seine ganze Welt zusammenbrechen. Und so schwieg Liz voller Mitleid und wünschte, Ians Worte würden auf fruchtbaren Boden fallen.
Sie durfte nicht an der Unterredung mit Jim Sutton teilnehmen, einem großen, angeberischen Mann, den sie auf Anhieb unsympathisch fand. Vermutlich erschien er nur unter dem Druck der öffentlichen Meinung in Haus Cottingdean und keineswegs, weil er erkannte, wie sträflich er seine Pflichten als Pächter vernachlässigt hatte.
Was zwischen den beiden besprochen wurde, erfuhr sie nicht – nur, dass Sutton die Pacht entrichten würde. Wie hoch die Summe war, verriet Edward ihr nicht, und sie fürchtete, er hatte sich um das Geld, das ihm zustand, betrügen lassen. Wie auch immer, sie würden
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