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Schattenkampf

Titel: Schattenkampf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lescroart
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er nahe genug an sie herangekommen war, um wirklich großen Schaden anzurichten.
    Ein paar Tage zuvor hatte ein mit Dynacorp-Wachmännern bemannter Konvoi die Windschutzscheibe des Humvee zerschossen, der den kanadischen Botschafter beförderte, nachdem das Fahrzeug nicht auf die Aufforderung reagiert hatte, langsamer zu fahren. Zum Glück hatte das private Sicherheitspersonal in diesem Fall Gummigeschosse verwendet, so dass niemand ernsthaft zu Schaden gekommen war. Aber überall lagen die Nerven blank, und der Verkehr war weiterhin wahnsinnig dicht.
    Inzwischen waren die meisten Routen in die Stadt abgesperrt, und der Zugang zu diesen Hauptverkehrsadern wurde offiziell von der CPA und von irakischen Polizei- und Militäreinheiten kontrolliert. Um auf diese Straßen zu gelangen, mussten alle Fahrzeuge mindestens einen und häufig sogar mehrere Kontrollpunkte passieren. Leider war die Innenstadt ein Spinnennetz aus kleineren Straßen, die in die großen
Hauptstraßen mündeten und zu denen der Zugang wesentlich schwerer zu kontrollieren war. Deshalb konnte es jederzeit passieren, dass ein Konvoi wie der Schollers in der Innenstadt, praktisch manövrierunfähig, im Stau steckte und aus einer dieser verwinkelten Seitenstraßen ein Auto mit vier Irakern auftauchte und auf den im Stau nur im Schritttempo vorankommenden Konvoi zusteuerte.
    Weil viele dieser Fahrzeuge tatsächlich SV-BEDs waren, ignorierten sie auch die zunehmend hektischeren Zurufe und Handzeichen bei ihrem Versuch, nahe genug an die Konvois heranzukommen, um sie in die Luft zu jagen. Entsprechend blieb in solchen Fällen den MG-Schützen auf den Dächern der Konvoi-Humvees kaum eine andere Wahl, als das Feuer auf das auf sie zu fahrende Fahrzeug zu eröffnen, wenn sie ihr eigenes Leben retten wollten.
    Tragischerweise befanden sich allerdings in solchen Autos nur allzu oft harmlose irakische Zivilisten, die einfach die englischen Aufforderungen, anzuhalten, oder auch die einfachen arabischen Warnungen, die die Soldaten lernten, um sich verständlich zu machen, nicht verstanden. Oder ihnen wurde die Dringlichkeit der Handzeichen nicht bewusst. Das hatte zur Folge, dass in den ersten Monaten nach der Besetzung Bagdads derartige »Missverständnisse« siebenundneunzig Prozent aller zivilen Todesfälle in der Stadt ausmachten - also einen wesentlich höheren Anteil als diejenigen Todesfälle, die durch die Gesamtheit aller Aufständischen, USBVs, Heckenschützen und Selbstmordattentäter verursacht wurden. Wenn ein Fahrzeug einem Konvoi zu nahe kam, wurde es unter Beschuss genommen. Das war die Realität.

    Nolan, der diesen Dienstag zusammen mit Evan für das hintere Fahrzeug eingeteilt war, war die schlechte Stimmung, die seit einigen Tagen in Schollers Gruppe herrschte, nicht verborgen geblieben. Dennoch war er, als er auf den Konvoi zuging, etwas überrascht, dass Evan, der vor seinem Fahrzeug stand, einen hitzigen Wortwechsel mit Greg Fields, einem seiner Männer, führte. Tony Onofrio, ein anderer aus der Gruppe, stand daneben und hörte betreten zu.
    »Weil ich es sage«, erklärte Evan, »deshalb.«
    »Das reicht mir aber nicht als Begründung, Lieutenant. Ich stehe jetzt schon drei Tage in Folge da oben. Wieso lassen wir heute nicht Tony ans MG?« Offensichtlich sprach Fields vom Posten des MG-Schützen, der als vorrangigstes Ziel ungeschützt aus dem Dach ihres Humvee ragte.
    »Weil Tony als Fahrer besser ist, Greg, und Sie am MG. Deshalb kommt das nicht infrage. Also los jetzt, rauf da.«
    Aber Fields rührte sich nicht von der Stelle.
    Nolan hatte mitbekommen, dass der Respekt der Gruppe vor Evan wegen ihres kleinen Saufgelages und wegen Evans Unvermögen, ihre Versetzung zu erwirken, gelitten hatte, und jetzt sah es so aus, als würde Fields den Befehl seines Lieutenant rundweg verweigern. Deshalb ging er dazwischen. »Hey, hey, Jungs. Immer mit der Ruhe. Ich übernehme das MG. Und Sie, Greg, setzen sich auf den Rücksitz und regen sich erst mal ab.«
    Nolan wusste, dass die Männer wegen der Rolle, die er bei Evans Besäufnis gespielt hatte, und weil er ihn zu diesem Einsatz mitgenommen hatte, möglicherweise auch auf ihn sauer waren, aber er glaubte, dass sie weder als Gruppe noch als Einzelpersonen etwas dagegen haben könnten, wenn er das MG übernahm. Obwohl das eigentlich verboten war.

    Evan fühlte sich durch Nolans Eingreifen überrumpelt und glaubte, seine Autorität behaupten zu müssen. »Das kann ich leider nicht zulassen,

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