Schattenkrieg
Ausmaß meiner Kräfte zu verschleiern. Vielleicht denkt er, dass ich überzeugende Worte
brauche
, um jemanden zu beeinflussen.« Er blickte nachdenklich ins Feuer, während er seinen Bart zupfte. »Sicher ist jedenfalls, dass er für ein paar Wochen immun gegenüber solchen Kräften sein wird. Und selbst danach wird es für mich wahrscheinlich unmöglich sein, ihn zu verzaubern – er weiß, dass ich gut bin. Sein Misstrauen wird es schwierig machen.«
Nun war es Cintorix, der mit den Schultern zuckte. »Uns steht ein Krieg bevor. Ronan führt die Nahkämpfer der Bretonen an. Im Krieg sterben Leute.«
Für einen Moment war Baturix wie vom Donner gerührt. Hatte er richtig gehört? Das eben hatte geklungen wie in einem dieser schlechten Mafiafilme, die er vor Jahrzehnten gesehen hatte.
»Dieser Ronan hat zusammen mit seinem Bruder und ihrem Häuptling Trollstigen gehalten und ist in der Schlacht am Jostedalsbreen an der Seite von Bruce MacRoberts gesehen worden«, erwiderte Julius. »Der Mann ist ein zäher Bursche. Er gilt zwar bei den Bretonen als Wetterdruide, aber er ist eine Kastanie.«
Baturix musste sich anstrengen, um sich daran zu erinnern, wofür dieser Baum stand: für Tiere, wegen der Kastanien … und Krieg.
»Hat er nicht auch diese enorme Druidenstärke?«, dachte Cintorix laut nach. »Die Rüstung, die er trägt, können nur wenige überhaupt vom Boden aufheben. Du hast recht … der Mann wird uns noch eine Weile erhalten bleiben.« Baturix fiel ein Stein vom Herzen. Für einen Moment hatte er
wirklich
gedacht, aus den Worten seines Fürsten eine Aufforderung zum Mord herausgehört zu haben.
»Jedenfalls sollte der Bretone vorsichtig damit sein, jemals mit dem Finger auf uns zu zeigen«, erklärte der Fürst. »Er hat sich nun ebenfalls schmutzig gemacht.«
VERONIKA
Gnjilane, Kosovo
Mittwoch, 02. Dezember 1998
Die Außenwelt
Es war 05:00 Uhr morgens, als der Wecker Veronika aus dem Bett holte. Ihr Zug hatte Wachdienst, und es ging nicht an, als Wachoffizier die ganze Nacht durchzuschlafen. Außerdem wollte sie Tönnes, dessen Gruppe mit dem Nachtdienst an der Reihe war, auf die Finger schauen.
Als sie sich aus dem Bett schwang und sich wusch und anzog, fühlte sie sich von der kurzen Nacht wie gerädert und beschloss, sich nachher noch einmal hinzulegen. Vielleicht war das nicht sehr vorbildlich, aber sie konnte ja nicht
immer
vorbildlich sein, oder? Außerdem schien es ohnehin niemanden zu interessieren, was sie trieb. Seit dem Unfall und der verlorenen Auseinandersetzung mit Ulrich tanzten ihr die Soldaten mehr denn je auf der Nase herum.
Der Morgen war eisig kalt und sternenklar. Ein schneidender Wind ließ Veronikas Augen tränen und sie trotz der Winterjacke frieren. Sie blieb ein paar Minuten vor der Eingangstür stehen, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen, bevor sie sich zum Rundgang aufmachte. Ihre Schritte auf dem Kies klangen in der nächtlichen Stille besonders laut.
Während sie am Zaun entlangmarschierte, dachte sie an Somalia. Nicht an die Schlacht in Mogadischu, in die sie und ihre Einheit hineingeraten waren, sondern an die ruhigen Monate davor. Es war das letzte Mal gewesen, dass sie sie selbst hatte sein dürfen. Seit ihren Beförderungen erwartete man, dass sie ihre weibliche Seite hintanstellte und im männlich-machomäßigen Affenzirkus der Bundeswehr mitspielte. Sie hatte sich an die Rolle gewöhnt,aber
zufrieden
war sie kaum damit, vor allem jetzt nicht, wo sie drauf und dran war, die Kontrolle über ihr Kommando zu verlieren.
Nun dachte sie an die Zeit davor, vor Beförderungen und Fallschirmspringern, als sie noch eine einfache Hauptgefreite bei den Sanitätern gewesen war. Ein einfacheres Leben … ein
schöneres
Leben. Sie erinnerte sich an das Camp im Süden Somalias, an die Fahrten an den Indischen Ozean, mit dem kompletten Team, den Ärzten, Sanitätern und Krankenschwestern … Sie dachte an Thomas, ihren letzten Freund, der sie schließlich als zu
bieder
gefunden und sie verlassen hatte. Sie hatte mit ihm eine sehr schöne, fast schon romantische Zeit verbracht.
Der Kontrast zu ihrer jetzigen Situation war brutal und ernüchternd. Wann war sie das letzte Mal geschwommen? Allein der
Gedanke
an einen Badeanzug bereitete ihr jetzt schon Gänsehaut!
Veronika hörte ein metallisches Klicken. Im selben Moment tauchte ein gleißender Scheinwerfer ihre Welt in grelles weißes Licht. Reflexartig kniff sie die Augen zusammen und riss den Arm
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