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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hoch.
    »Frau Leutnant, sind Sie das?«, hörte sie jemanden mit Flüsterstimme rufen.
    »Wieso? Gibt es denn irgendjemanden in der Basis, mit dem Sie mich verwechseln könnten?«, entgegnete sie spitz. Der Scheinwerfer erlosch. Lichtpunkte und schwarze Flecken tanzten vor ihren Augen. Ihre Nachtsicht war völlig dahin. Sie erkannte nur Dunkelheit. Sie ging halb blind bis zu der Stelle, wo sie die Quelle des Lichts vermutete, und blickte nach oben. Aus einem Fenster des Mannschaftsgebäudes im zweiten Stock ragte ein dunkler Schemen – ein Scheinwerfer. Links und rechts daneben waren zwei runde Umrisse, vermutlich die Gesichter der Wachtposten.
    »Ist das Ihre Stube?«, fragte sie nach oben.
    »Ja, Frau Leutnant! Wir kriegen von hier oben alles mit!«, beteuerte einer der beiden.
    »Immerhin haben wir Sie bemerkt«, fügte der zweite Soldat zur Bekräftigung hinzu.
    Die erste Stimme konnte sie nicht recht einordnen, doch die zweite klang ganz nach Garnier, dem Sanitäter, der so großartige Arbeit an dem kleinen Jungen geleistet hatte. Veronika wunderte sich, ob das jetzt eine Zuckerbrot- oder eine Peitschen-Situation war. »Ist schon gut«, beschloss sie und entschied sich für das Zuckerbrot. »Wollte eigentlich nur nachsehen, ob Sie schlafen.«
    »Schlafen, Frau Leutnant? Tönnes würde uns die Hölle heißmachen!«, erwiderte der Erste.
    »Wer ist das eigentlich? Garnier und …?«
    »Rosenthal, Frau Leutnant! Obergefreiter Rosenthal.«
    »Gut. Wenn Sie weiterhin so aufpassen, nachdem ich Ihnen den Rücken zugedreht habe, dann geht das so in Ordnung. Weitermachen!« Die beiden bedankten sich. Sie deutete einen Gruß an und ging weiter.
    Veronika seufzte. Situationen, in denen sie mit den Soldaten direkt sprechen konnte, waren die einzigen, in denen sie noch so etwas wie Respekt erhielt. Doch sobald Ulrich oder Bender in der Nähe waren, war es aus damit, in ihrer Abwesenheit schon gleich dreimal. Neulich hatte ihr doch tatsächlich jemand vor die Tür geschissen, so weit war es inzwischen schon gekommen.
    Sie ließ die Mannschaftsgebäude hinter sich. Ihr Weg führte sie weiter zum Lagerhaus, wo sie nun eigentlich wieder eine Streife erwartete. Tatsächlich begegnete sie zwei weiteren von Tönnes’ Männern, die sich im Durchgang zwischen Lagerhaus und Hauptgebäude vor dem Wind schützten. Als Erstes sah sie nur eine glühende Zigarette davonfliegen, die sie davor nicht bemerkt hatte, im gleichen Moment wurde sie angehalten. Sie wechselte ein paar Worte mit den Männern und ging dann weiter, hinter dem Lagerhaus vorbei zum Wachhäuschen.
    Die Soldaten – Tönnes und die letzten beiden seiner Leute – nahmen Haltung an, als sie eintrat. In der Wachstube brannte kein Licht, und es roch nach Kaffee.
    »Morgen, Frau Leutnant«, begrüßte sie der Unteroffizier gähnend. »Kaffee gefällig?«
    »Guten Morgen«, erwiderte sie. »Verzichte dankend. Das Spülwasser hier kann man ja nicht trinken.«
    »Von wegen. Auf Wachposten gibt’s richtigen Kaffee, lassen Sie sich das nicht entgehen!«
    »Na, dann werde ich doch zuschlagen!« Sie setzte sich zu Tönnes an den Tisch, froh darüber, dass er sich nicht so widerborstig verhielt wie seine Kollegen.
    Eine Rotlicht-Taschenlampe flammte auf. In ihrem Licht schenkte einer der Männer, den sie anhand seiner Figur als Gefreiten Kreis identifizierte, wortlos den Kaffee ein. Nachdem sie Milch und Zucker dazugeschüttet hatte, drehte er das Licht wieder ab.
    Veronika umfasste die Tasse mit beiden Händen und ließ die Wärme auf ihren Körper wirken. Gierig sog sie das Kaffeearoma in sich auf.
    »Und, Frau Leutnant, haben Sie sich inzwischen eingelebt?«, fragte Tönnes, nachdem sie den ersten vorsichtigen Schluck genommen hatte.
    Die Frage überraschte sie. Der Mann hielt sich nicht an die bei der Bundeswehr gültige Spielregel, dass ein persönliches Gespräch vom Ranghöheren auszugehen hatte. Sie schluckte den sarkastischen Kommentar, der ihr auf der Zunge lag, herunter und antwortete unverbindlich: »Naja. Leutnant Hartmann hat mir eine ziemliche Menge Papierkram überlassen, durch den ich mich so langsam durchkämpfe.« Das war nicht wirklich eine Antwort auf die Frage, doch Tönnes ließ es durchgehen.
    »Scheiß Papierkram«, kommentierte er bloß.
    »Sie sagen es. Einen Teil habe ich schon an Ulrich abgeschoben, aber vieles muss ich selber machen.«
    Sie hörte Tönnes leise lachen. »Zum Glück bin ich nur ein einfacher dummer Unteroffizier und kann mir den ganzen

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