Schattenkrieg
Papierkrieg sparen!«
Sie nickte. Unteroffiziere hassten Papierkrieg. Oh, wie sehr sie in ihrem Herzen doch Unteroffizierin war!
»Originelle Idee von Rosenthal und Garnier, den Scheinwerfer auf ihr Zimmer mitzunehmen, was?«, meinte er noch.
»Ein blendender Einfall!« Veronika konnte sich das Wortspiel nicht verkneifen. »Solange sie nicht auf die Idee kommen, sich während ihres Postens auf ihre Betten zu legen …«
»Keine Sorge, Frau Leutnant, da pass ich schon auf. In meiner Wache wird nicht geschlampt! Bei uns wird so etwas nicht vorkommen wie in Priština. Ha, eine Sauerei ist das! Ein paar Idioten schlafen, und wir dürfen das ausbaden!«
»Warum ausbaden?«
»Gar nicht mitgekriegt? Weil wir in Priština nicht mehr so viel Treibstoff lagern können, sind die Generatorlaufzeiten eingeschränkt worden. Nachts gibt es kein Licht mehr außer für die Elektronik.« Er sah sie lauernd an. »Oder gibt es bei
Ihnen
etwa noch Licht?«
»Wissen Sie«, erklärte Veronika schmunzelnd, »ich habe in meinem Zimmer noch nicht mal’ne
Glühbirne
, ich würde das sowieso nicht mitkriegen.«
»Ha!« Tönnes nickte. »Ganz schöne Sauerei«, murmelte er noch einmal und zündete sich eine Zigarette an.
Veronika stand auf, bedankte sich noch einmal für den Kaffee und verließ dann die Wachstube. Auf dem Weg in ihr Zimmer beschloss sie, dass auf Tönnes Verlass war, zumindest militärisch. Alles, was sie gesehen hatte, von der Rotlicht-Taschenlampe über die Art, wie die Männer ihre Zigaretten hinter vorgehaltener Hand geraucht hatten, bis hin zur Aufmerksamkeit Garniers und Rosenthals, zeigten ihr, dass der Mann keineswegs verlernt hatte, wie man sich auf Spähposten zu verhalten hatte. Um
seine
Männer würde sie sich keine Sorgen machen brauchen.
Inzwischen hatte sie auch eine Vermutung, warum er sich von Ulrichs und Benders Aufsässigkeit nicht anstecken ließ. Neulich hatte sie zufällig ein Gespräch zwischen Holz und Bauer belauscht, aus dem hervorging, dass Tönnes eigentlich im Knast sitzen müsste und nur draußen war, weil die Fallschirmjäger so dringendOffiziere und Unteroffiziere für ihre Auslandseinsätze brauchten. Angeblich würde ein Wort an die richtigen Stellen genügen, um ihn ganz schnell wieder hinter Gitter zu bringen. Tönnes wusste vermutlich nicht, dass man »vergessen« hatte, Veronika als seine direkte Vorgesetzte darüber zu informieren.
Jedenfalls bedeutete dies, dass Tönnes einen guten Grund hatte, ihr gegenüber loyal zu bleiben. In ihrer momentanen Position war sie froh über jeglichen Rückhalt, den sie kriegen konnte.
Veronika schlief bis 8:30 Uhr. Als sie aufstand, war sie erstaunlich gut gelaunt. Die zweieinhalb Stunden Schlaf hatten ihr gutgetan. Zu ihrem Frühstück trank sie eine warme Milch. Das führte vermutlich dazu, dass sie in der nach unten offenen Männlichkeitsskala nie geahnte Tiefen erreichte, überlegte sie säuerlich, doch wenn ihr Zug unbedingt einen Mann als Zugführer wollte, dann hatte er halt Pech gehabt.
Nach dem Frühstück suchte sie Wassermann. Sie fand ihn im Lagerhaus, wo er einem Mechaniker bei der Reparatur eines Wolfs half. Er trug einen alten, über und über verschmierten Kampfanzug, das Öl klebte sogar in seinen blonden Haaren.
»Sind Sie hier abkömmlich?«, fragte sie ihn.
»Nein«, antwortete der Mechaniker.
»Ja!«, kam Wassermanns Antwort gleichzeitig.
»Klären Sie das mal, ich brauche nämlich einen Fahrer.«
Damit verließ Veronika das Gebäude wieder und blickte nachdenklich in Richtung des Tores, an dessen Schlagbaum sich zwei ihrer Männer lümmelten und rauchten. Kurz darauf trat Wassermann aus der Tür, sich mit einem Lappen die Hände abwischend.
»Das ging aber schnell«, meinte sie.
»Habe ihm versprechen müssen, Ihnen eine Viertelstunde Zeit abzuschwatzen, um in der Stadt ein Ersatzteil zu organisieren.«
»Ach was!«, meinte Veronika amüsiert. »Na, Sie können ja mal Ihr Glück versuchen! Aber vorher sehen Sie zu, dass Sie in eine Dusche kommen und sich das Öl aus den Haaren waschen.Beeilen Sie sich ein bisschen, ich will noch vor Mittag in Kusce sein.«
»Jawohl, Frau Leutnant!« Er lief eilig über den Platz in Richtung der Mannschaftsunterkünfte davon.
Veronika überlegte, ob sie die Leute vom Wachdienst noch ein bisschen aufschrecken sollte, ließ es dann aber bleiben. Sie hatte noch immer gute Laune. Ihr Rundgang am Morgen hatte ihr gezeigt, dass es doch noch Leute gab, die sie wie einen Menschen
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