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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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eindeutig
unfreundlich
. Veronika hatte keine Ahnung, was diese Veränderung bewirkt haben konnte. Sie fühlte sich plötzlich schrecklich unsicher.
    »Nein, äh, natürlich wird der Junge dasselbe Gehalt bekommen, das verspreche ich!«
    »Ihr Deutschen versprecht viel und haltet wenig.« Fatima verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich möchte einen Vertrag.«
    Veronika war sprachlos. War das wirklich dieselbe Frau, mit dersie vor drei Tagen das letzte Mal gesprochen hatte? Fatima hatte ihr viel über die Mentalität der Bevölkerung beigebracht. Sie hatte ihr erzählt, wie wichtig den Leuten das gesprochene Wort war. Wenn sie nun auf einem Schriftstück bestand, konnte es nicht weit her sein mit dem Vertrauen zwischen ihnen.
    »Wenn Sie möchten … den muss ich natürlich erst aufsetzen …«
    Fatima nickte. »Bitteschön.« Sie ging an ihr vorbei hinter den Raumteiler. Veronika hörte, wie eine Schublade geöffnet wurde. Fieberhaft überlegte sie, was denn vorgefallen sein könnte. Sie versuchte, sich ihre letzten Gespräche noch einmal ins Gedächtnis zu rufen, aber sie fand nichts, wodurch sie Fatima hätte beleidigen können. Das Verhalten der Frau war ihr ein Rätsel.
    Fatima trat wieder hervor und gab ihr einen Zettel. »Name und Adresse des Jungen«, erklärte sie dazu. Und als Veronika nicht gleich darauf reagierte, fügte sie noch hinzu: »Für den Vertrag. Und jetzt müsste ich eigentlich mit dem Unterricht weitermachen …«
    »O ja, natürlich«, beeilte sich Veronika zu sagen. Sie hob ihre Jacke auf und folgte Fatima. Eilig durchquerte sie den Klassenraum, in dem die Kinder überraschend still über irgendwelche Übungsaufgaben gebeugt waren. »Auf Wiedersehen«, meinte sie noch. Fatima nickte ihr kurz zu und beugte sich über die Unterlagen, die auf ihrem Pult lagen.
    Veronika trat nach draußen, wo Wassermann an den Wolf gelehnt wartete und rauchte. Als er sie sah, warf er die Zigarette weg und stieg ein. »Bringen Sie uns nach Hause«, meinte sie zu ihm. Ihre gute Laune war wie weggefegt.
    Ihre Stimmungsänderung blieb dem Gefreiten nicht verborgen. »Keine guten Neuigkeiten?«, fragte er, während er den Wagen wendete.
    »Fahren Sie einfach«, antwortete Veronika gereizt. »Und zwar so, dass niemand Angst haben muss, sich den Hals zu brechen!«
    Sie sprachen während der Heimfahrt kein Wort miteinander. Veronika starrte aus dem Fenster und fragte sich noch immer, wasschiefgelaufen war. Irgendetwas musste vorgefallen sein, anders war Fatimas plötzlicher Wandel nicht zu erklären. Doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, worum es sich dabei handeln konnte.
     
    Als Veronika am Abend über ihren Akten saß, war sie nicht in der Lage, sich zu konzentieren. Zu viele Gedanken schwirrten in ihrem Kopf herum.
    Einmal mehr dachte sie an ihren Großvater, den sie nie gekannt hatte und mit dem sie nun doch vieles verband. Wie sie war er ein Offizier gewesen, war dem gleichen Wahlspruch gefolgt.
Wie Pech und Schwefel
. Die Erinnerung an ihn war es gewesen, die sie zu dem Fehler verleitet hatte, ihren Zug mit dem Wahlspruch einer anderen Kompanie zu konfrontieren, pure Sentimentalität. War er auch sentimental gewesen? Hatte er es auch so sehr bereut wie sie, ein Fallschirmspringer zu werden?
    Sie beantwortete sich die Frage selbst.
Natürlich
hatte er es bereut. Ein Soldat im Krieg bereute
immer
die Entschlüsse, die ihn dorthin gebracht hatten. Aber ob er es auch in den Zeiten bereut hatte, in denen er nicht hatte kämpfen müssen? So wie Veronika es momentan bereute?
    In letzter Zeit bereute sie immer mehr, dass sie sich nie besonders für ihren Großvater interessiert hatte. Der Urgroßvater hatte manchmal von ihm erzählt, doch im Gegensatz zu Thorsten hatte Veronika die Geschichten langweilig gefunden und nie wirklich zugehört.
    Was er wohl an ihrer Stelle tun würde?

KEELIN
     
    Glen Affric, Schottland
    Freitag, 11. Dezember 1998
    Die Innenwelt
     
     
    Die Zeit in der Innenwelt verging wie im Fluge. Es gab so viele neue Dinge zu lernen und so viele Aufgaben zu erledigen, dass aus Stunden schnell Tage und aus Tagen bald Wochen geworden waren. Wo sich Keelin zuerst gefragt hatte, ob die Innenwelt nicht bald langweilig werden würde, hatte sie schnell festgestellt, dass die Tage eher zu wenige als zu viele Stunden besaßen. Alles hatte sich verändert. Die einzige Verbindung, die Keelin zu ihrem alten Leben noch besaß, waren ihre Erinnerungen – auf die sie auch noch gerne

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