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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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gewinnen, wenn wir uns in der Innenwelt verstecken!«
    »Für dich ist es etwas anderes«, meinte Keelin leise. »Du bist eine Pappel, eine Kundschafterin. Deine Druidenkräfte sind darauf ausgelegt, dich in die Höhle des Löwen zu wagen und mit heiler Haut wieder herauszukommen.« Sie blickte zu Boden. »Ich bin eine Heilerin. Der Ort, an den ich gehöre, liegt
hinter
dem Schlachtfeld und nicht auf ihm –«
    »– sagt ausgerechnet eine Giftmischerin!«
    Keelin brauste auf. »Ich bin keine Giftmischerin!«
    »Nein.« Fionas Stimme klang beruhigend. »Aber du bist eine Eibendruidin, und so nennt man dich hinter deinem Rücken, ob du willst oder nicht. Ich bezweifle, dass dein Schicksal so ruhig und friedlich verlaufen wird wie das von Rowena.«
    »Was nützt das Gift schon? Es tötet keine Schatten!«
    »Wenn du damit das pure Pflanzengift meinst, das man aus dem Baum gewinnen kann, gebe ich dir recht. Damit tötet man keine Schatten. Aber wenn du damit die Eibenkräfte meinst, die du früher oder später erlangen kannst, dann täuschst du dich! Es
gibt
Gifte, die einen Schatten töten können, auch wenn das Wissen um sie inzwischen in Vergessenheit geraten ist. Gehe zu den Pikten –
sie
werden wissen, wovon ich spreche.« Die Pikten lebten im Norden Schottlands. Angeblich besaßen sie unter ihren Vorfahren auch Ahnen aus der Zeit, bevor die Kelten nach Schottland gekommen waren. Vor Jahrzehnten schon hatten sie sich aus der Gemeinschaft der Stämme abgesondert und führten ein zurückgezogenes und abgeschiedenes Leben. Angeblich besaßen sie von allen keltischen Stämmen noch die urtümlichsten und mächtigsten Zauber – angeblich sogar verbunden mit Blutopfern und rituellen Verstümmelungen!
    »Ich besitze noch keine einzige Kraft!«, entgegnete Keelin. Selbstheilung und die Fähigkeit, die Welten zu wechseln, galten nicht als Kräfte, sondern als Grundeigenschaften, die jeder Druide besaß. »Was will ich da schon ausrichten in der Außenwelt?«
    »Gar nichts. Du sollst nichts
ausrichten
. Du bist Rowenas
Schülerin
, du sollst da draußen etwas
lernen
. Ich will dir beibringen, die Außenwelt mit den Augen einer Druidin zu sehen, denn nicht alles ist da draußen so, wie es scheint. Du musst wissen, dass Außenwelt und Innenwelt eng zusammenhängen. Nichts, was draußen passiert, bleibt drinnen ohne Spuren. Die Welten interagieren miteinander, manchmal sehr subtil und manchmal sehr offen. Stelle dir vor, in Inverness läuft ein Amokläufer durch eine Schule und knallt einen Haufen Kinder ab. Die Innenwelt wird auf so etwas reagieren. Vielleicht werden durch die Aktionen dieses Amokläufersin der Schattenstadt zehn neue giftige Geister geboren, wohingegen ein Kinderspielplatz, der über Jahrzehnte hinweg ein Ort glücklicher Menschen ist, vielleicht einen Geist der Träume oder einen freundlichen Baumgeist hervorbringen würde. Schatten kennen die Beziehungen zwischen den Welten, und sie arbeiten ständig darauf hin, die Außenwelt zu verschlimmern. Deshalb ist es unsere Aufgabe, sie nicht nur hier, sondern auch draußen zu beobachten und, wann immer möglich, gegen sie vorzugehen.«
    Keelin zuckte mit den Schultern. »Selbst wenn ich wollte, könnte ich nicht zurück. Die Polizei sucht bestimmt nach mir.« Soweit sie wusste, hatten die Schatten Mary umgebracht, und Keelin war seitdem verschwunden. Die Polizei hatte bestimmt ihre eigenen Schlüsse daraus gezogen. Ihr Fahndungsposter hing vermutlich an jeder zweiten Plakatwand.
    Als sie Fiona davon erzählt hatte, meinte diese nachdenklich: »Vielleicht sucht dich die Polizei tatsächlich. Ich kann sie täuschen, aber die Kraft, Menschen abzulenken, ist in mir nicht besonders stark. Du müsstest dich verändern – vielleicht eine Perücke oder eine andere Haarfarbe, ein anderes Styling … Wenn der Samen des Zweifels erst einmal gesät ist, fällt es mir leichter.« Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Wärst du denn bereit, mich nach Inverness zu begleiten?«
    Nach kurzem Zögern nickte Keelin schließlich. Nach allem, was Fiona gesagt hatte, klang es fast nach einer druidischen
Pflicht
. Sie konnte kaum ohne schlechtes Gewissen ablehnen, egal, ob es ihr nun gefiel oder nicht.

VERONIKA
     
    Gnjilane, Kosovo
    Freitag, 11. Dezember 1998
    Die Außenwelt
     
     
    Zehn Tage waren seit dem Treffen in Fatimas Wohnung vergangen, zehn Tage, die es in sich gehabt hatten. Vor vier Tagen hatte man mit einem Raketenwerfer auf sie geschossen. Ihr Gefahrensinn hatte ihr

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