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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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beobachtete Rushai mit morbider Faszination. Die halblangen Haare des Schattenlords waren trotz der langsamen Bewegung aufgewirbelt worden, auf seinem Kopf kondensierte Nebeltröpfchen flogen in alle Richtungen davon. Derrien folgte dem Flug eines Tropfens, fasziniert davon, wie er sich langsam durch die Luft bewegte, noch langsamer wurde – und schließlich einen Meter über dem Boden regungslos in der Luft hängenblieb! Auch die Schatten waren wie versteinert, wie von unsichtbarer Hand gestoppt. Selbst Rushai war erstarrt, den Rücken zu Derrien gewandt, das Schwert zur Abwehr erhoben.
    Also haben sie es auch gespürt …
    Dann hörte er Schritte, die Schritte schwerer Stiefel, die sich stapfend einen Weg durch den Schnee bahnten. Und näher kamen. Die Aura war nun deutlich zu spüren, selbst für Derrien, der eigentlich keinerlei seherischen Kräfte besaß. Ihre Macht musste gewaltig sein. Dröhnend pochte der Puls in Derriens Schläfe. Der Begriff
Dämon
, den Rushai vorher erwähnt hatte, jagte neues Entsetzen in sein Bewusstsein.
    Eine dunkle Gestalt schälte sich aus dem Dunst, eine schwarze Silhouette, eingehüllt von roten Nebelschlieren. Es gab keinen Zweifel daran, dass die Aura zu dieser Gestalt gehörte. Mit trockenem Mund und geweiteten Augen starrte Derrien sie an.
    Sie kam noch näher. Es war eine Frau, großgewachsen und aufrecht, mit breiten Schultern und muskulösen Schenkeln. Ihre Kleidung bestand gerade einmal aus einem Lendenschurz und einem Brustband und ließ den Blick frei auf sonnengebräunte Haut,narbenübersät und dennoch unglaublich erregend. In ihr nachtschwarzes Haar waren kleine Knochensplitter geflochten, an der Hüfte trug sie einen großen, mit Runen überzogenen Knochenzauber. In den Händen hielt sie ein bluttriefendes Schwert sowie einen schweren Schild, auf dessen Buckel ein menschlicher Schädel geschnallt war.
    Sie schritt an dem erstarrten Rushai vorbei, ohne ihn näher zu beachten, und baute sich hinter dem Skelett auf. Ihre Augen bohrten sich in Derriens.
    Derrien keuchte. Die Augen … Er hatte erwartet, das grüne Feuer in ihnen zu finden wie in denen des Skelett-Schattens oder vielleicht den regenbogenartigen Schimmer eines manifestierten Geists. Doch die Augen der Frau waren menschlich, menschlich zumindest in ihrem Äußeren, doch ganz und gar unmenschlich in ihrer Tiefe. Die Jahrhunderte, die diese Augen gezählt hatten, machten Derrien schwindelig, neben der Ewigkeit der Erscheinung fühlte er sich klein und bedeutungslos. Ihm wurde mit einem Mal klar, dass es sich um eine Gotteserscheinung handelte – um einen Gott oder um einen Teufel.
    Als die Frau Luft holte, um zu sprechen, stolperte Derriens Herz vor Angst und Aufregung. Ein Wesen von dieser Macht war in der Lage, ihn mit einer einzigen Silbe zu vernichten oder von ihm Besitz zu ergreifen und seiner Seele endlose Qualen zu bereiten, während sie in seinem Namen folterte und mordete …
    »Derrien Eichensohn!«, waren ihre ersten Worte. Ihre überraschend tiefe Stimme war rau und derb und angefüllt von der leidvollen Weisheit, die eine lange Existenz mit sich brachte. »Mein tapferer Krieger! Mein unerschöpflicher Diener! Dein Kampf war lang und entbehrungsreich, deine Opfer zahlreich und groß! Ich danke dir für deinen Mut und deine Entschlossenheit im Angesicht von Missachtung und Gefahr!«
    Derrien zwinkerte. Das war nicht das, was er erwartet hatte.
    »Habt … habt Dank«, krächzte er mit heiserer Stimme. »Aber … verzeiht … Wer seid Ihr?«
    Nach einer kurzen Pause antwortete die Erscheinung: »Ich bin die Morrigan.«
    Die Morrigan!
Derrien keuchte.
Blutrünstige Göttin des Krieges und des Todes!
    »Seid Ihr hier, um mir … meinen Tod zu verkünden?«
    »Nein. Ich bin hier, um dir eine Kraft zu verleihen.«
    Ein zynisches Lachen stieg in seiner Kehle empor. Eine Kraft? In seiner Situation? Doch er riss sich zusammen. Vor ihm stand eine Göttin oder zumindest ein göttlicher Avatar – zu lachen wäre Blasphemie!
    »Warum Ihr?«, fragte er stattdessen. »Normalerweise werden die Kräfte von Geistern gelehrt …«
    »Kein geringerer Geist hätte dich hier erreichen können, Eichensohn. Du wirst gut bewacht. Kein Freund ist in der Nähe.« Sie warf einen kurzen Blick über ihre Schulter. »Aber wir müssen uns beeilen. Bist du bereit, eine neue Kraft zu erlangen?«
    »Ja.« Derrien nickte, ohne zu zögern. »Jederzeit!«
    Die Morrigan nickte. Sie schob das Schwert in eine Scheide an ihrer Hüfte

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