Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
Vom Netzwerk:
und griff nach dem Knochenzauber. »Ich verleihe dir die Kraft der Gestaltwandlung«, erklärte sie und berührte Derrien mit dem Knochen an der Schulter. »In Tiergestalt sollst du Tod und Verderben über deine Feinde bringen und die Angst in ihre Herzen tragen. Diene deinem Volk und deinen Göttern und führe den Kampf gegen ihre Feinde fort, bis dich meine Krähen einst vom Schlachtfeld tragen werden.« Sie ließ den Knochen wieder sinken. »Aber wähle weise, Derrien Eichensohn. Dies ist die einzige Hilfe, die ich dir geben kann.«
    »Ich danke Euch und hoffe, dass ich mich Eurer Gabe würdig erweise«, murmelte Derrien die rituellen Worte.
    »Und nun geh, denn dir bleibt wenig Zeit.«
    Die Erscheinung löste sich auf. Das unwirkliche Pfeifen wurde langsam leiser. Die blutigen Nebelschlieren verblassten. Derrien schloss die Augen und dachte fieberhaft nach.
     
    Großer Bär, Herr des Waldes! Honig um Deine Nase und Beute in Deine Pranken! Ich bin nur ein Nichts, schwach wie eine Maus, Deine Größe ersehnend! Gewähre mir Deine Stärke!
     
    Die Verwandlung dauerte nicht mehr als einen Augenblick. Mit einem Knall zerbarsten seine Fesseln, krachend knickte der Pfahl in seinem Rücken. Rushai wirbelte herum, noch immer
Waldsegen
in der Hand. Der Skelett-Schatten taumelte zurück und versuchte, sich aufzurappeln. Der Schatten mit der Schriftrolle stieß einen kurzen, überraschten Schrei aus und starrte ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Nur das
Ding
um seinen Hals schien nicht überrascht. Kraftvolle Muskeln ballten sich zusammen und schnürten ihm den Atem ab.
    Rote Nebelschleier.
    Seine Pranke schnellte nach oben, ertastete einen schuppigen Schlangenleib. Mit einem Ruck hatte er sie losgerissen. Seine Kiefer klafften auf, umschlossen den wild zuckenden Körper und zermalmten die Kreatur. Noch bevor die beiden Hälften zu Boden fallen konnten, verging die Aura des Phantoms.
    Das Skelett hatte sich in eine dunkelhäutige, mit Federn behangene Gestalt verwandelt. Der Mann mit dem Schwert brüllte hektisch. Der mit dem Pergament starrte noch immer. Viel zu spät sah er den Angriff kommen. Seine Abwehr war sinnlos. Die Pranke zerriss das Pergament und das Gesicht dahinter und fetzte den Mann von den Beinen.
    Mit einem wütenden Brummen stürzte sich der Bär auf den Alten. Seine Pranken zertrümmerten ihm die Hüften, ein schneller Biss in den Hals ließ schaumiges Blut über seine Nase spritzen.
    Rote Nebelschleier. Blutrot.
    Schritte entfernten sich hastig, die Schritte von Stiefeln im Schnee. Die Beute floh. Der Bär setzte ihr nach. Plötzlich eine Bewegung in seinen Augenwinkeln, ein Mensch mit einer blitzenden langen Klaue. Der Bär wand sich herum, nicht schnell genug, um ihren Hieben zu entgehen. Der Schmerz in seiner Flanke warwie Feuer. Er schnappte zu, doch der Mensch entging seinem Angriff. Noch einmal biss der Bär zu, vergebens. Die lange Klaue blitzte erneut auf, traf ihn, doch er spürte den Schmerz gar nicht. Er prallte nach vorne, rammte den Mensch zu Boden. Eine Hand griff nach der langen Klaue, die neben ihm im Schnee versunken war. Der Bär biss nach dem Arm. Blutstropfen flogen in alle Richtungen, als er ihn schüttelte und schließlich an der Schulter abriss. Seine Beute schrie wie am Spieß.
    Nebelschleier. Schwarz und rot. Hass und Wut.
    Der Bär witterte weitere Menschen. Er sah sie aus der Dunkelheit auftauchen, zuerst zwei, dann fünf, dann viele. Grollend warf er sich auf sie.
    Der Kampf war ein Schlachtfest. Die Beute war furchtsam und schwach und fiel unter seinen Hieben wie Ameisen. Ihre Bisse schüttelte er ab wie lästige Fliegen. Seine Zunge schmeckte Leder und Fleisch, seine Zähne zerrissen Muskeln und Sehnen, seine Pranken zerschmetterten Mark und Knochen. Der Rest der Beute floh. Er setzte ihr nach. Er tötete. Er mordete. Er war unbesiegbar.
    Schwarze Schleier.
    Der Bär beruhigte sich langsam.
    Tiefschwarze Schleier.

KEELIN
     
    Glen Affric, Schottland
    Freitag, 11. Dezember 1998
    Die Außenwelt
     
     
    Die Affric Lodge war das, was Druiden als ein Sicheres Haus bezeichneten. Hier riefen die anderen Stämme an, wenn sie mit jemandem aus dem Glen sprechen wollten, hier informierten sich Reisende über ihre zurückgelassenen Familien. Um die Druiden mit Nachrichten zu versorgen, holten die Wirte täglich mehrere Tageszeitungen aus dem nahegelegenen Cannich. Außerdem gab es einen Fernseher und eine Funkanlage.
    Der Raum, der in der Lodge für die Reise zwischen den Welten

Weitere Kostenlose Bücher