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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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vorgesehen war, war klein und unscheinbar. Um das Verschwinden und Auftauchen von Druiden geheimzuhalten, waren die Fenster verrammelt, so dass es stockdunkel war. Nachdem Fiona den Schalter betätigt hatte, warf eine an ihrer Stromleitung hängende Glühbirne Licht auf ein paar Schränke, in denen Kleidung, Geldbeutel, Ausweise und weitere Ausrüstung der Außenwelt lagerten. Eine Tür verband diese Kammer mit einem geräumigeren Hinterzimmer, in dem neben einem Sofa und einem niedrigen Tisch vor allem ein großer Wandspiegel ins Auge fiel.
    »Setz dich«, meinte Fiona und läutete die Glocke, die an der Wand hing. Keelin kam ihrer Aufforderung nach und beobachtete sie schweigsam dabei, wie sie einen Stapel Klamotten aus der Kammer holte und ihn auf dem Tisch ausbreitete.
    Ein kleiner, schmächtiger junger Mann in Jeans und T-Shirt trat durch eine Türe. »Seht mal, wer da ist«, meinte er mit auffällig hoher Stimme. »Madam Fiona und die junge Keelin.« Die Stimme, das blondierte Haar und die beim Gehen abgespreizte Hand hattenbei Keelin schon bei ihrer ersten Begegnung die Vermutung erweckt, dass Marwin schwul war, ein Eindruck, der nicht getäuscht hatte.
    »Hallo, Marwin«, sagte Fiona beiläufig, während sie begann, sich umzuziehen. »Wie läuft es?«
    »Gut, gut. Die Gäste, die momentan hier sind, sind sehr ruhig und nett. Draußen ist es geradezu idyllisch winterlich, und wir sitzen abends stundenlang vor dem Kamin und reden über dies und das.« Marwin holte eine zerbeulte Zigarettenschachtel aus einer Gesäßtasche und zog mit den Lippen eine Zigarette hervor. Nachdem er sie angezündet hatte, fragte er Keelin: »Willst du auch eine?«
    »Gerne.«
    Er warf ihr die Schachtel zu und setzte sein Gespräch mit Fiona fort. Währenddessen setzte sich Keelin auf das Sofa und inhalierte genüsslich das Nikotin, auf das sie in der Innenwelt so lange hatte verzichten müssen. Im Spiegel beobachtete sie, wie sich Fiona verwandelte: Mit einem roten Kopftuch, einer großen Sonnenbrille im Gesicht, kurzem Jeansjäckchen sowie den hochhackigen Schuhen sah sie nun aus wie eine Hausfrau in ihren Vierzigern, die versuchte, modisch und chic zu wirken, ohne es zu sein. Keelin würde ihr die Verkleidung abnehmen.
    Als sie fertig war, erklärte Fiona: »Ich gehe rüber zu Rock auf ein Ale. Wenn ich wieder komme, möchte ich Keelin nicht wieder erkennen, ja? Ich verlasse mich auf dich, Marwin.«
    »Habe ich dich etwa schon einmal enttäuscht?«, rief der ihr etwas entrüstet hinterher, erhielt jedoch keine Antwort mehr. Er schüttelte den Kopf und wandte sich Keelin zu. »Okay, Keelin, wir machen es so: Die Chefin sagt, wir müssen deinen Stil ändern. Aber weil ihr Mädchen immer so viel Wert auf eure Haare legt, lasse ich dich deine zukünftige Frisur auswählen, wie findest du das? Die Frisur nehmen wir als zentralen Punkt und bauen deinen neuen Stil dann darauf auf. Wir können
alles
machen – lange Haare, kurze Haare, lockige Haare, glatte Haare, was du willst. Was meinst du, Keelin?«
    Frisur
… Keelin zuckte mit den Schultern. Ihr waren ihre Haare, wie eigentlich ihr gesamtes Äußeres, nie sonderlich wichtig gewesen. Den Aufwand, den viele ihrer Krankenhauskolleginnen darum getrieben hatten, hatte sie nie verstanden. In den schlechten Hygieneverhältnissen der Innenwelt waren Haare sogar richtig unpraktisch. Ihr Entschluss war schnell gefasst. »Mach sie runter.«
    Marwin starrte sie entgeistert an. »Was?«, vergewisserte er sich.
    »Mach sie runter. Ich brauche keine Haare.«
    »Ja, aber … vor dir steht ein Experte! Du hast jetzt die Gelegenheit, dir eine einmalige Frisur machen zu lassen! Stell es dir doch vor! Pechschwarze, lange, glatte Haare, dazu ein schwarzes Top, schwarze Hosen, aus denen der String etwas herausblitzt, das Gesicht blass geschminkt, die Lippen schwarz, viel Eyeliner … das ist zurzeit
der
letzte Schrei in Inverness’ Unterwelt! Oder wie wär’s mit einer auffälligen Löwenmähne, mit der du die Blicke aller Männer auf dich ziehst?«
    Eine Frisur, die die Blicke der Männer auf sich zog, war so ziemlich das Letzte, was sie haben wollte. Energischer, als sie eigentlich wollte, ordnete sie an: »Rasier sie ab!«
    Rock seufzte laut. »Aber an den Schläfen lass ich zwei Strähnen stehen, ja? Sonst kannst du ja gar keine Zöpfe mehr –»
    »Mach sie weg!«
    »Also gut, also gut, ich habe dich gewarnt …« Er verließ den Raum. Mit der Miene eines missverstandenen Genies kehrte er wieder

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