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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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verstehst noch immer nicht!
    »
Was
verstehe ich nicht? Dass du ein Gefallener bist? Ein Phantom?« Sie wich zurück zur Tür.
    Ich bin kein Phantom. Aber wenn du gehen willst, werde ich dich nicht aufhalten. Beantworte mir nur eine Frage. Was –
ist
– Schmerz?
    »Schmerz ist …«, begann Keelin, doch dann bemerkte sie, dass die Frage nicht so leicht zu beantworten war, wie sie zuerst gedachthatte. Was war Schmerz eigentlich? »Schmerz ist unangenehm«, versuchte sie eine Antwort. Ihr Blick ging zu dem Patienten, der inzwischen erschöpft zurück in sein Bett gesunken war und nach Luft hechelte. »
Er
dort erleidet Schmerzen! Ohne sie würde es ihm besser gehen.« Auf den Sterbenden bezogen, fiel ihr die Antwort plötzlich leichter. »Schmerz ist Qual. Schmerz ist Folter. Schmerz ist völlig unnötig!«
    Siehst du? Weil du
so
denkst, erscheine ich dir als ein Schreckgespenst. Aber denke noch einen Schritt weiter.
Warum
gibt es Schmerzen?
    »Weil der Körper krank ist. Wenn Nervenleitungen zerstört werden, gibt es Schmerzen.«
    So? Und was ist, wenn du dir den Finger zu fest in die Haut drückst? Oder dich zwickst? Oder zu lange auf den Beinen bist? Werden da auch … Nervenleitungen zerstört?
    »Wahrscheinlich schon«, spekulierte sie.
    Noch eine letzte Frage. Was wäre, wenn es
keinen
Schmerz gäbe?
    »Dann wäre die Welt wahrscheinlich ein besserer Ort!«
    Du machst es dir zu einfach, Keelin. Was tust du, wenn du Zahnschmerzen hast?
    »Ich gehe zum Zahnarzt? Abgesehen davon, dass ich …«
… dass ich Druidin bin,
hatte sie sagen wollen, doch sie hielt sich zurück. Falls dieser Geist dort tatsächlich ein Phantom war, dann musste sie ihn nicht unbedingt noch darauf aufmerksam machen.
    Ich weiß, was du bist, Keelin, du brauchst dich nicht vor mir zu verstecken. Was passiert nun mit dem kranken Zahn, wenn du – oder irgendjemand anders – keine Schmerzen empfindest und nicht zum Zahnarzt gehst?
    Keelin zögerte. Die Antwort musste vermutlich heißen, dass dann der Zahn verfaulen würde. Aber das würde bedeuten, dass Schmerzen nicht nur schlecht waren …
    Was passiert mit dem Kind, das keine Schmerzen verspürt, wenn es auf die heiße Herdplatte fasst? Was passiert im Boxkampf, wenn der Verlierer seine Wunden nicht merkt? Oder dem Unfallopfer, dessen gebrochener Knochen sich bei jeder Bewegung noch weiter ins Fleisch spießt? Schmerzen
sind nicht schlecht an sich, Keelin, wenn wir bereit sind, darauf zu hören, was sie uns zu sagen haben.
    »Dann bist du gar kein Phantom?«
    Ich bin ein Naturgeist, wie die Baumgeister oder die Tiergeister.
    »Und warum bist du hier? Warum bin
ich
hier?«
    Ich habe dich hier getroffen, damit du etwas lernst über Schmerzen. Die erste Lektion hast du nun bereits hinter dir.
    »Und die zweite?«
    Die zweite Lektion besteht darin, zu erkennen, wann Schmerzen ihren Sinn verlieren. Sinnloser Schmerz dient jenen Geistern, die du unter dem Namen Phantom kennengelernt hast. Siehst du einen Sinn in den Schmerzen dieses Mannes?
    Keelin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Patienten zu. Er lag nun flach in seinem Bett, verschwitzt und fahl. Sein Atem ging hechelnd, der Blick war starr zur Zimmerdecke gerichtet.
    Sie schüttelte den Kopf. »Er stirbt. Wenn er keine Hilfe bekommt, ist er wahrscheinlich noch heute Abend tot. Warum man ihm nicht einmal ein Schmerzmittel geben kann, ist mir ein Rätsel! Morphium ist nicht so teuer!« Sie senkte ihren Blick, unfähig, weiter den Todgeweihten anzusehen.
    Man hilft ihm nicht, weil es auf dieser Station einen Mann gibt, der Betäubungsmittel stiehlt und selbst benutzt. Du weißt das, Keelin.
    Sie erstarrte. Dr Fisher, natürlich! Ihn hatte sie schon längst vergessen … Der Geist hatte recht. Sie hatte sich früher kaum darüber Gedanken gemacht … Wenn jemand etwas verschrieben bekommen hatte, hatte sie es verabreicht, wenn nicht, dann nicht; für mehr war kaum Zeit gewesen.
    Eine Krankenschwester betrat das Zimmer. Es war Elaine. Sie setzte sich an die Bettkante, ergriff die Hand des Patienten. Zuerst dachte Keelin, dass sie mit ihm sprechen wollte, doch dann blieb Elaine einfach nur sitzen und hielt seine Hand fest. Was gab es auch zu sagen? Dass seine Behandlung zu teuer war? Oder dass es kein Morphium mehr für ihn gab? Dass er tot sein würde, noch bevor der Tag zu Ende war? Keelin schüttelte den Kopf.
    »Und warum soll ich etwas über Schmerzen lernen?«, wandte sie sich wieder dem Geist zu, um sich von der tragischen Szene

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