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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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sich selbst in ihre leeren, toten Augen und spürte wieder den dumpfen, brennenden Schmerz in der Brust, an der Stelle, an der sich das Projektil in die Schutzweste gebohrt hatte, empfand wieder dieselbe Atemnot, als ob ihr gerade jetzt erst der Schuss die Luft aus den Lungen gepresst hätte.
    Ihr Brustkorb selbst schien ihr die Luft abschnüren zu wollen, panisch versuchte Veronika, dagegen anzuatmen. Und immer noch starrte sie in ihre eigenen ausdruckslosen Augen, schrie in Gedanken,
Warum macht sie mir denn niemand zu? ,
sah, wie sich die Soldaten abwandten und zu Ulrich blickten, und dann gelang es ihr endlich, das Bild zur Seite zu drängen. Doch an seine Stelle trat der Albaner, den sie mit dem Messer getötet hatte, und sie erinnerte sich, dass sie auch damals beinahe draufgegangen war. Die Angst drohte, sie zu ersticken. Ihr Atem kam nur noch flach und hechelnd, während vor ihren Augen die Szenen des Messerkampfes vorüberliefen, das Höhnen ihres Gegners, der Moment, in dem sie getroffen worden war und sie sich für tot gehalten hatte. Schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen.
    In einem kurzen Augenblick der Klarheit realisierte Veronika,was mit ihr vorging. Die Begriffe
Hyperventilation!
und
Panikattacke!
schossen ihr durch den Kopf. Hastig blickte sie sich um, griff nach einer Plastiktüte und hielt sie sich vor den Mund.
Du darfst jetzt nicht die Kontrolle verlieren!
begann sie, auf sich einzureden.
Es ist vorbei! Ulrich sitzt im Keller und wird streng bewacht! Es ist vorbei …
    Mit der verbrauchten Luft, die sie einsog, kehrte auch die Ruhe langsam in ihren Körper zurück. Es dauerte mehrere Minuten, bis sich ihr Atem wieder soweit abgesenkt hatte, dass sie es wagte, die Tüte zur Seite zu legen.
Es ist vorbei!
Bewusst regelmäßig, tief und langsam Luft holend schloss sie die Augen.
Es ist vorbei.
    Als Veronika die Augen wieder öffnete, fiel ihr Blick auf den Bericht auf ihrem Schoß. Resignierend schob sie den Stapel Papier auf den Schreibtisch und stand auf. Für heute hatte es keinen Zweck mehr, sich damit zu beschäftigen. Und ein Tag hin oder her würde nichts ausmachen, auch wenn Fatima etwas anderes behauptete.
    Am Ende der Patrouille war sie bei ihr gewesen und hatte ihr davon erzählt, was sich ereignet hatte. Doch statt sich zu freuen, war die Lehrerin entsetzt gewesen. »Sehen Sie zu, dass Sie ihn von hier fortschaffen lassen, Veronika!«, hatte sie mit eindringlicher Stimme von ihr gefordert, und gewarnt: »Solange er in Gnjilane ist, schweben Sie in höchster Gefahr!« Als Veronika ihr daraufhin versichert hatte, dass Ulrich eingesperrt war und von mehreren bewaffneten Soldaten bewacht wurde, hatte sie ihre Warnungen nur noch einmal wiederholt, ohne darauf einzugehen, was genau sie meinte.
    Quatsch!
beruhigte sich Veronika.
Es ist vorbei!
Sie würde sich auch von Fatima nicht noch einmal zu einer solchen Panik hinreißen lassen. Ein weiterer Hyperventilationsanfall war so ziemlich das Letzte, was sie in ihrer momentanen Situation brauchen konnte. Sie durfte keine Schwäche zeigen. Selbst wenn Ulrich aus dem Verkehr gezogen war, wurde sie weiterhin von ihren Leuten belauert. Sie musste stark sein.
    Deshalb hatte sie auch Kollborns Gruppe postiert. Seine Männer unterstützten den ersten Zug beim Wachdienst. Eindringlichhatte Veronika ihnen erklärt, die Augen offen zu halten, und hatte betont, dass sie ein schlechtes Gefühl dabei hatte. Ihre Männer hatten verständnisvoll genickt – ihre Ahnungen hatten sich inzwischen so oft bestätigt, dass ihr Zug solche Kommentare sehr ernst nahm. Falls nun jemand versuchen würde, Ulrich zu befreien, würde er nicht nur auf Böhnischs Männer treffen, sondern auch auf ihre eigenen. Und falls ihr ehemaliger Zugfeldwebel noch weitere Verbündete bei den Serben hatte, würden die zusätzlichen Wachleute hoffentlich ausreichen, um rechtzeitig Alarm zu geben.
    Veronika stand auf und machte sich auf den Weg in die Offiziersmesse, wo Hauptmann Hagen auf die Berichte wartete. Dort angekommen, baute sie sich vor ihm auf und salutierte: »Melde mich zur Stelle, Herr Hauptmann!«
    »Rühren Sie sich«, erwiderte Hagen. Seine Stimme klang gereizt. Er wusste genauso gut wie sie, dass ein Militärgerichtsverfahren gegen Ulrich ziemlich viel Arbeit und Umstände erfordern würde. Seitdem war ihre Gunst bei ihm auf einen absoluten Tiefpunkt gesunken. »Ich habe gehört, dass Sie eine Ihrer Gruppen für heute Nacht zum Wachdienst mit eingeteilt haben?«
    »Das ist

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