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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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brachte Fatima die MPi wieder in Anschlag. Ein knackendes Geräusch, ein kurzer Mündungsblitz,dann durchschlug das Projektil Ulrichs Schädel. Das Einschussloch lag exakt zwischen den Augen des Mannes und zeugte von Fatimas Erfahrung im Umgang mit der Waffe. Veronika konnte von ihrer seitlichen Position auch das Austrittsloch erkennen, das dem Mann die halbe Schädeldecke weggerissen hatte.
    In diesem Moment heulte eine Sirene auf. Draußen flammte grelles Scheinwerferlicht auf.
    »Schlagen Sie ihm den Kopf ab!«, schrie Fatima.
    Hastig nickte Veronika. Die Alarmsirenen und ihr plötzlich wieder einsetzender Gefahrensinn hatten die lähmende Lethargie von ihr genommen. Sie griff erneut nach dem Schwert und nahm es in beide Hände. Das Zimmer war nicht hoch genug, um es über ihren Kopf zu schwingen, also hob sie es bis zur Decke. Sie schluckte den sauren Geschmack im Mund hinunter und schloss für einen Augenblick die Augen. Gedanken rasten durch ihren Kopf, ohne dass sie einen halbwegs vernünftigen Ausweg aus ihrem Dilemma fand. Wie sollte sie auch, wenn nichts, was um sie herum mit ihr geschah, mit Vernunft zu erklären war. Sie holte tief Luft.
    Gott stehe mir bei
, dachte sie, als sie zuschlug.
    Der Leichnam zuckte für einen Moment wie elektrisiert auf, doch der Schwung reichte nicht, um den Kopf mit einem einzigen Schlag abzutrennen.
Warum kann er noch zucken?
fragte Veronika sich und beruhigte sich im selben Moment:
Es ist nichts. Er ist tot. Leichen tun das. Manchmal zumindest.
    Als sie jedoch das Schwert zurückzog, schoss helles, rotes Blut aus der Wunde und spritzte ihr pulsierend entgegen.
Er ist nicht tot!
brannte der Gedanke durch ihr Bewusstsein. Sie hatte Ulrichs Blut im linken Auge, spürte es ihr Gesicht hinablaufen, und diesmal hatte sie der wieder hochschwappenden Hysterie nichts entgegenzusetzen. Schreiend schlug sie erneut zu, noch mal und noch mal, und hörte erst auf, als der Kopf schon lange nicht mehr an dem blutigen, verstümmelten Körper hing.
    Wie in Trance bekam sie mit, dass Fatima den Kopf in einen braunen Leinensack warf und diesen in ihrem Rucksack verstaute.»Viel Glück«, murmelte die Muslimin, bevor sie aus dem Fenster stieg, doch Veronika konnte sie nur entgeistert anstarren. Sie blieb so stehen, halb an ihren Schreibtisch gelehnt, in der Hand das Schwert, vor sich ins Leere starrend.
    Erst als sie die vielen Schritte und die Rufe auf dem Korridor hörte, begann sie, ihre Umgebung wieder wahrzunehmen. Sie streifte sich Thorstens Medaillon über, dessen Rückverwandlung sie nicht einmal bemerkt hatte, und warf noch einmal einen Blick auf den Toten. Die Übelkeit kam plötzlich und mit voller Wucht. Veronika schaffte es gerade noch rechtzeitig, nach dem Papierkorb unter ihrem Schreibtisch zu greifen, bevor sie sich übergeben musste.

RONAN
     
    Kêr Bagbeg am Romsdalsfjord, Norwegen
    Dienstag, 02. März 1999
    Die Innenwelt
     
     
    Es war der Abend vor dem Abmarsch. Ronan hatte Fagan mit seinen Leuten zum gemeinsamen Mahl in seine Halle geladen. Dies waren die Männer, die in der Schlacht direkt unter seinem Banner kämpfen würden, und Ronan wollte diese letzte Gelegenheit dazu nutzen, sie ein wenig besser kennenzulernen. Einige kannte er gut genug – die reichen Anführer, die sich eine Rüstung und ein Schwert leisten konnten. Sie hatten auf Trollstigen und am Jostedal mit ihm gekämpft und wussten, was es bedeutete, in die Schlacht zu ziehen. Die anderen jedoch kannte er weniger: die armen Fischer, deren Ausrüstung aus einer Lederrüstung oder einem wattierten Wams bestehen würde, mit einem Bootsmesser oder Haubeil als Waffe. Sie waren der große Unsicherheitsfaktor in jeder Schlacht: Wenn die Krieger vor ihnen fielen – was würden sie tun? Würden sie weglaufen angesichts des Horrors? Oder würden sie den Mut finden, nach vorne zu treten und ihren Schild zwischen den erfahreneren Männern zu stemmen?
    Dazu kam das Problem der Unfreien. Es hatte große Diskussionen gegeben, ob sie mit auf den Kriegszug sollten oder nicht. Viele von ihnen waren Kreaturen fragwürdiger Loyalität, teilweise sogar kriegsgefangene Fomorer, und Ronan war nicht der Einzige, der sich unwohl darin fühlte, solche Männer in seinem Rücken zu wissen. Doch Nerin hatte schließlich ein Machtwort gesprochen, und so hatte sich die Zahl der Bretonen um ungefähr fünfhundert Krieger auf nunmehr zweitausend erhöht. Der Antrieb der Unfreien sollte die Freiheit sein, wenn sie sich in der

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