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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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schoss ihren Arm empor, sie hörte Stoff reißen, etwas kratzte sich tief in ihren Unterarm. Die Pistole flog polternd gegen die Wand, ein Schuss krachte in der Dunkelheit. Im Mündungsblitz sah sie zum ersten Mal die Gestalt, die in ihr Zimmer eingedrungen war: olivgrüne Bundeswehruniform, graue Hände mit furchterregend langen Krallen, der Kopf eine graue Fratze mit eingefallenen Wangen und einem Mund voller scharfer spitzer Zähne …
    Sie spürte einen Angriff, wich zurück, stolperte dabei über das Feldbett und schlug gegen die Wand. Schneller als sie es je für möglich gehalten hätte war sie wieder auf den Beinen, doch als sie zum Angriff ansetzen wollte, fühlte sie, dass sich die Situation abrupt verändert hatte, sie spürte die neue Gefahr, die von ihrem Gegner ausging, die von
ihrer Pistole in seiner Hand
ausging – und hielt sich zurück. Ihr Atem kam hastig und schnell. Der Schmerz in ihrem linken Unterarm, wo sie die Klauen ihres Gegners getroffen und ihr die Haut abgefetzt hatten, drang nun mit dumpfem Pochen in ihr Bewusstsein.
    Das …
Ding
… rührte sich nicht. Ohne Licht konnte sie kaum mehr erkennen als Umrisse (und natürlich sah sie die
Pistole
, auf deren Lauf das Licht aus dem Gang matt reflektierte).
    Schließlich hatte sie ihre Atmung wieder unter Kontrolle. »Was wollen Sie von mir?«, fragte sie heiser.
    »Weißt du es nicht?« Die Antwort klang mehr nach einem Vogelkrächzen als nach einer menschlichen Stimme und jagte Veronika einen Schauer über den Rücken. Das Wesen wich zurück, bückte sich und griff nach einem dunklen, rechteckigen Umriss am Boden, den Veronika als ihre Taschenlampe wiedererkannte. Der Lauf der Pistole zeigte die ganze Zeit auf ihr Gesicht.
    Die Kreatur stellte die Lampe auf ihren Schreibtisch, schaltete sie ein und wich zwei Schritte davon zurück, so dass er nun im Licht stand.
    Ihr Angreifer war ungefähr ein Meter neunzig groß und unglaublich dürr. Sein Gesicht … Veronika zwang sich trotz der aufsteigenden Übelkeit hinzusehen.
    Sein Gesicht war das einer Leiche, eingefallen und grau, das Fleisch zerfressen, an manchen Stellen waren die blanken Knochen zu sehen. Anstelle der Nase und der rechten Wange klafften zwei große Löcher. Es wirkte auf Veronika, als ob jemand versucht hätte, ihm das Gesicht vom Kopf zu reißen, und dabei nur teilweise Erfolg gehabt hatte. Selbst die Farbe hatte nichts Menschliches mehr, sondern war von einem einheitlichen dunklen Grau, ohne Schattierungen oder Abweichungen.
    Ihr Blick fiel auf die Hände. Über lange, spinnenartige Finger spannte sich eine ebenfalls graue, von zahlreichen großen Blasen übersäte Haut. Die Finger endeten in langen, dünnen Krallen. Die Gestalt trug Springerstiefel und eine Fallschirmjägeruniform. Veronikas Blick wanderte zu dem aufgekletteten Namensschild über der linken Brusttasche …
    »Ulrich!«, stieß sie schockiert aus.
    In diesem Moment begann die Gestalt zu verfließen. Das Grau veränderte sich, wurde rosiger, die Hände kürzer und voller, das Gesicht … Veronikas Magen ballte sich zusammen, sie wandte den Blick ab, bevor sie sich übergeben musste. Das schmatzende Geräusch, mit dem die Veränderung vonstatten ging, reichte auch so aus, um ihre Phantasie zu beflügeln. Erst als sie nichts mehr davon hörte, wagte sie wieder, ihr Gegenüber anzusehen.
    Es war tatsächlich Ulrich. Tiefe Augenringe lagen unter seinen Augen, seine Wangen waren von den Stoppeln eines Dreitagebarts übersät. Seine Mimik war jedoch völlig emotionslos. Sie sah, wie sich sein Finger um den Abzug krümmte …
    »Nein!«, rief sie panisch. »Bitte!«
    Ulrich hob den Kopf, ohne etwas zu sagen.
    »Sie … Sie werden nicht damit durchkommen!«, stammelte Veronika, weil sie das Gefühl hatte, etwas sagen zu müssen, um ihn vom Schießen abzuhalten.
    Sein Gesicht sank wieder herab. Er legte den Kopf etwas seitlich, zog die Augenbrauen nach oben.
    Veronika empfand dies als Aufforderung, weiterzusprechen. »Man wird Sie … finden … wenn Sie mich jetzt erschießen, ist das Mord …« Ihr fiel wieder ein, dass sie einem Mann gegenüberstand, der gerade eben noch ein
graues Monster
gewesen war, und glaubte plötzlich nicht mehr daran, dass Ulrich
irgendetwas
interessieren würde, was sie zu sagen hatte. Dennoch sprach sie mit einsetzender Panik weiter: »Machen Sie es nicht noch schlimmer … geben Sie mir die Waffe! Wir können über alles reden …« Es war völliger Blödsinn, doch
noch hat er nicht

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