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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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seinen Gefährten; dann verschwanden die vier hastig in der Dunkelheit.
    Scipio wartete, bis der Nebel ihre Schritte verschluckt hatte, bevor er zischte: »Los jetzt!«
    Baturix starrte ungläubig in die Finsternis. »Wie hast du das gemacht?«, flüsterte er.
    »Du wirst gar nicht glauben«, erwiderte Scipio, »mit was man alles durchkommen kann, wenn man nur selbstsicher genug auftritt!« Er warf den Männern ebenfalls einen kurzen Blick hinterher. »Jetzt schnell! Vielleicht lebt einer der Leute hier noch!«
    Baturix zog die Augenbrauen nach oben.
Das hat der alte Mann also vor!
Eilig machte er sich daran, die Gefallenen zu untersuchen.
    Die Aufgabe war grauenerregend. Der Kampf hier hatte Dutzende von Opfern gefordert. Baturix lief von einem Leichnamzum nächsten, drehte sie auf den Rücken, versuchte, sie zum Sprechen zu bringen. Er zählte nicht mit, wie oft seine Hände dabei in abgekühltes, geronnenes Blut griffen, wie viele Gliedmaßen er plötzlich und unerwartet in der Hand hielt, wie viele von klaffenden Wunden entstellte Gesichter ihn anstarrten – Gesichter von Alten wie von Jungen, von Männern wie von Frauen, Schwarzen wie Weißen. Er wusste, dass er diese Nacht nie wieder vergessen würde, genauso wie er die Augen, die gebrochenen, kalten starren Augen nie vergessen würde. Dazu die Angst, entdeckt zu werden, hier, mitten in einem Heerlager der Nain, allein mit einem greisen Waldläufer …
    Der Schreck ließ ihn beinahe aufschreien, als einer der Männer, die er herumwälzte, plötzlich aufstöhnte. »Scipio!«, rief er unterdrückt. »Ich hab einen!«
    Auf den ersten Blick wirkte der Mann kaum verletzt. Er trug nur eine dünne Stoffhose und ein ebensolches Hemd, keinen Gürtel, keinen Umhang, nichts, was ihn wärmen konnte, und auch keinerlei Rüstung. Seine Schnürstiefel waren offen. Vermutlich hatten sie ihn im Schlaf überrascht. Bis auf den linken Arm, der in einem unnatürlichen Winkel von seinem Körper abstand, schien er in Ordnung zu sein, abgesehen von dem Gestank, der von ihm ausging. Der Fomorer schien buchstäblich die Hosen voll zu haben.
    Baturix hörte Schritte neben sich und sah hastig hoch. Scipio tauchte aus der Dunkelheit auf, ging auf der anderen Seite des Mannes in die Knie.
    »Tuy rossiski?«, fragte der Waldläufer. Der Mann reagierte nicht. »Jestes Polakiem?«
    Baturix wechselte kurz einen Blick mit Scipio, als auch darauf keine Antwort kam. Dann fragte er sanft: »Norweger?«
    »Ja«, stöhnte der Fomorer leise. Er öffnete die Augen einen Spalt, doch sein Blick ging ins Leere.
    »Ich bin Johan«, meinte Baturix. Theoretisch war das sogar wahr, doch die Zeit, als er mit diesem Namen gelebt hatte, war schon so lange vorbei, dass es sich wie eine Lüge anfühlte … Er griff nachder Hand des Fomorer, drückte sie, spürte kurz den Gegendruck. »Was haben diese Schweine mit dir gemacht?«
    »Ich spüre«, flüsterte der Fomorer. Es war offensichtlich, wie sehr ihn das Sprechen anstrengte. »… meine Beine … nicht …«
    Scipio klopfte Baturix kurz auf die Schulter, deutete mit der Faust einen Schlag an, zeigte dann auf den Hinterkopf des Mannes.
    »Was?«, flüsterte Baturix.
    Zur Erklärung griff Scipio dem Fomorer an den Kopf. Als er die Hand zurückzog, war sie voller Blut. Anscheinend war der arme Kerl doch schwerer verletzt. Der Arm, die Wunde am Kopf, vielleicht der Rücken … Die Schatten würden
nie
die Mühe aufwenden, diesen Mann zu retten. Er war so gut wie tot … und wusste es wahrscheinlich sogar. Baturix sah noch einmal an ihm herab.
    »Ihr hattet keine Chance«, murmelte er schließlich.
    »Nein.« Schwach schüttelte der Mann seinen Kopf. So wie er dabei das Gesicht verzog, schien ihm bereits diese Geste schon Schmerzen zu bereiten. Er zwinkerte mehrmals, um die Tränen loszuwerden, die in seine Augen stiegen. Schließlich fuhr er mit zitternder Stimme fort: »Sie … sie haben uns … im Schlaf über … fallen …« Baturix nickte.
    Er hasste sich zwar für den Gedanken, aber er hatte einen Auftrag – und fragte sich deshalb, wie man einem Sterbenden am besten Informationen entlocken konnte. Seine Mitleidstour schien zu wirken – er musste sich noch nicht einmal verstellen dabei! Er fühlte sich dennoch schäbig … »Aber warum?«, flüsterte er traurig und mitfühlend.
    »Es hat … Streit gegeben … mit … Lord … Lord Ashka… runa.« Ein Blick zu Scipio sagte Baturix, dass der Waldläufer den Namen ebenso wenig kannte wie er selbst. »Keine

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