Schattenkrieg
fand ihn nicht. Sein Herz schlug schneller bei dem Gedanken, dass sein Sohn irgendwo in der Menge stand.
Als sie endlich vor dem Wall waren, warf Baturix noch einmal einen misstrauischen Blick über das Feld. Durch den Nebel hindurch sah er, dass der feindliche Schildwall immer noch nicht fertig war, und atmete auf. Cintorix lenkte sein Pferd in Richtung des Zentrums, in dessen Mitte Ronans grau-blaues Burgenbanner stand.
Was ein Mann wie er wohl vor der Schlacht dachte? Ein alter Kriegsveteran, dessen Kampfgeschick so berühmt war, dass man ihn mit seinen Männern in das Zentrum der Schlacht stellte? Er sah ruhig aus, als sie näher herangekommen waren, in seiner dicken Plattenrüstung, über der das grüne Wams spannte wie dasTrikot eines Football-Spielers, ein Fels in der Brandung. Aber ob er sich auch so fühlte? Oder schlotterten ihm die Knie ebenso wie allen anderen?
Der Schildwall war vorher schon überraschend ruhig gewesen; nun, da der Kriegsherr nach vorne geritten war, war eine geradezu unnatürliche Stille entstanden. Alle warteten gespannt, was ihr Anführer ihnen zu sagen hatte.
»Männer!« Cintorix sah den Schildwall entlang, zuerst in die eine, dann in die andere Richtung. Wie ein Echo pflanzte sich der Ruf fort, als ihn die Nachrufer wiederholten. Noch einmal schrie er: »Männer!« Er wartete, bis die Aufmerksamkeit seines Heeres bis zum Äußersten gespannt war. Dann schrie er: »Wir alle haben Angst! Jeder von uns, vom jüngsten Krieger im Schildwall bis zu den erfahrensten Druiden!« Sein Pferd tänzelte unruhig. »Angst ist unsere Schwäche!« Er wies mit dem Daumen über seine Schulter. »Und unser Feind ist darauf aus, uns bei unserer Angst zu packen! So will er uns schlagen! Er hat Gerüchte gesät, um uns Angst einzujagen, Gerüchte darüber, wie vielen Fomorern wir tatsächlich gegenüberstehen! Und er hat Zauberei angewendet, finstere Magie. Er hat ein paar Tote auferweckt, damit wir uns fürchten! Er will, dass wir unsere Ehre vergessen und aus dem Schildwall brechen und davonlaufen! Ja, Männer – wir werden heute auf diesem Schlachtfeld auf Untote treffen. Noch vor zwei Tagen haben sich die Schwärme des Feindes gegenseitig zerfleischt, und nun versuchen sie, ihre Verluste durch solchen Götterfrevel wettzumachen! Als ob ein paar Untote einen lebenden, fühlenden Krieger ersetzen könnten! Als ob wir uns davon Angst einjagen ließen!«
Cintorix hielt in seiner Rede inne. Baturix fragte sich, ob die Worte seines Herrn tatsächlich das bewirkten, was sie sollten? Die Erwähnung der Untoten hatte Unruhe in die Reihen gebracht, und er hatte wohl jedem von ihnen aus dem Herzen gesprochen, als er ihre Angst erwähnt hatte. Ob es tatsächlich richtig war, die Angst anzusprechen? Skeptisch wartete er ab.
»Die Strategie des Feindes«, rief Cintorix, »geht nicht auf!« Und brüllte: »SIE GEHT – NICHT – AUF!!!« Er zögerte kurz. »Warum? Warum, wollt ihr wissen! Ich sage es euch! Weil er uns falsch einschätzt, darum! Er denkt, wir sind so wie er, ohne Ehre, ohne Anstand, ein räudiger Haufen brutaler Schläger und Verbrecher! Er denkt, wir würden unsere Waffenbrüder und Gefährten, unsere Sippen zu Hause und unsere Heimat einfach so verraten! Aber das stimmt nicht! Wir sind nicht so wie sie! Wir sind aufrichtig, wir sind mutig, wir sind stolz! Wir haben sie schon einmal besiegt, so wie wir den gefürchteten Stamm der Germanen besiegt haben! Denn wir sind Sieger! Und wir werden wieder siegen! Wir werden sie auslöschen! Nichts kann uns aufhalten!« Cintorix zog sein Schwert und riss es nach oben. »Denn WIR – SIND DIE – KELTEN!!!«
Ronan vorne in der ersten Reihe war der Erste, der seinen Kriegshammer in die Luft streckte und brüllte. Andere stimmten mit ein, das Feuer der Begeisterung breitete sich rasend schnell aus. Bald schrien zwanzigtausend Krieger, schrien ihre Angst hinaus, machten sich Mut, heizten sich an. Baturix lächelte. Sein Herr hatte es geschafft! Wenn er jetzt den Befehl zum Sturmangriff geben würde, würden zwanzigtausend Mann loslaufen, jubelnd einem blutigen Ende entgegen.
Als sich das Geschrei langsam wieder legte, brüllte Cintorix: »Und nun gehen wir erhobenen Hauptes unserem Feind entgegen, trotzen seinen hinterhältigen Tricks und seiner dunkler Zauberei! Wir spucken ihnen ins Gesicht, und wenn ihre Toten nicht sterben wollen, so hacken wir ihnen die Köpfe ab und werfen sie in ihre Reihen!
Sie
werden die Angst kennenlernen, und noch bevor die
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