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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hatte die Vermutung, dass die Schatten ebenso wenig wie sie daran Interesse hatten, ihre Schlacht völlig blind zu führen, und dass sie deshalb ihren Nebel ausgedünnt hatten – falls ihnen das überhaupt möglich war. Dennoch reichte der Dunst aus, dass kaum Einzelheiten zu erkennen waren. Ronan glaubte,
Frauen
in ihren Reihen zu sehen, und hoffte, sich getäuscht zu haben. An den Flanken waren auch sie noch dabei, sich vollständig zu formieren, während ihr Zentrum im eisigen Schweigen verharrte. Über dem feindlichen Schildwall war kein einziges Banner zu sehen. Wie die Schatten so ihre Männer zusammenhalten wollten, war Ronan ein Rätsel. Er hatte gehofft, einen Hinweis darauf zu bekommen, wo in der Formation der Schwarze Baum zu finden war, doch daraus wurde wohl nichts. Hinter dem Hang, auf dem der Feind aufgereiht stand, war noch nicht einmal zu erkennen, aus wie vielen Reihen der feindliche Wall bestand. Die Distanz zu ihnen betrug ungefähr achthundert Meter.
    Ronan seufzte. Er hasste dieses Warten. So kurz vor der Schlacht tendierten die meisten dazu, in Grübelei zu verfallen. Und Grübeln war schlecht – es gab nichts, an das ein Krieger kurz vor der Schlacht denken konnte, das gegen die Angst
helfen
würde. Gedanken an die Familie – schlecht. Vielleicht sah man sie nie wieder. Gedanken an das frühere Leben – schlecht. Die Tatsache, dass man Dinge, die man getan hatte, womöglich niemals wieder tat, und Dinge, die man nicht getan hatte, niemals nachholen konnte, warebenso wenig hilfreich. Gedanken an Freunde und Kameraden neben sich im Feld – schlecht. Die armen Kerle würden wahrscheinlich umkommen. Gedanken an den Feind – gaaanz schlecht. Die Armee auf der anderen Seite des Schlachtfeldes erschien dem Krieger im Schildwall grundsätzlich größer und furchteinflößender, als sie eigentlich war. Gedanken an die eigene Überlegenheit – unnütz, wenn man in der ersten Reihe stand. Die Überlegenheit bekam man erst in den hinteren Reihen zu spüren. Wenn man in der ersten Reihe dem Feind ins Auge blickte, war es uninteressant, ob man hinter sich fünf, zehn oder zwanzig Reihen hatte. Und selbst dieses Gedankenspiel, das Ronan gerade trieb, war anscheinend nicht dazu geeignet, ihn abzulenken. Übelkeit hatte inzwischen von ihm Besitz ergriffen, sein Herzschlag war schon längst nicht mehr normal.
    Verdammt, warum kann es denn nicht endlich losgehen?
    Er ließ seinen Kopf auf die Brust sinken, schloss die Augen, erinnerte sich an das Gebet.
     
    Dagda, Herr der Toten, ich flehe Dich an,
    Verschone das Leben meiner Freunde, bestrafe meine Feinde!
    Morrigan, Herrin des Krieges!
    Führe meine Klinge, gib mir Stärke und meinem Heerführer Geschick!
    Sul, Herr des Wassers!
    Heile Deine Krieger, verletzt und zerschunden auf dem Feld der Schlacht!
    Brigantia, Herrin des Landes!
    Nimm das Blut, das die Erde tränkt, besänftige die Geister, erzürnt über die Schlacht!
    Lugh, Herr der Sonne!
    Möge der Schein Deiner Strahlen unsere Feinde blenden und uns den Weg erleuchten, wenn wir zu unseren Vorfahren gehen!
    Bormana, Mutter der Stämme!
    Schütze meine Sippe, wenn wir nicht mehr sind, um unsere Aufgabe zu erfüllen.
     
    Es hatte auch einmal zwei Zeilen über den Wettergott Tarannis und seine Frau Arduina gegeben, doch Ronan fielen sie nicht mehr ein – peinlich genug für einen Tierherrn, auf dessen Pfad er eigentlich einmal begonnen hatte. Er erinnerte sich an die Schlacht vom Jostedalsbreen, wo er das gleiche Gebet gesprochen hatte und bei den gleichen Göttern gescheitert war. Er hatte sich damals fest vorgenommen, die fehlenden Zeilen zu lernen, falls er die Schlacht überlebte. Es sah so aus, als ob er etwas nachzuholen hätte …
     
    »Aus dem Weg!« rief Baturix, während er sein Pferd durch die Reihen der Krieger steuerte. »Macht Platz für den Befehlshaber!«
    Er fühlte sich wie in einem grünen Meer. Noch nie in seinem Leben – auch nicht, als er noch ein Außenweltler gewesen war – hatte er eine so einheitlich uniformierte Menge gesehen. Das Grün der keltischen Waffenröcke erstreckte sich über das gesamte Tal, von Waldrand zu Waldrand und darüber hinaus.
Vielleicht hätten wir eine Farbe wählen sollen, die auf die Fomorer etwas einschüchternder wirkt als Grün
, dachte er bei sich.
    Sie passierten Lucius’ gelbes Ährenbanner. Baturix stand im Sattel auf und spähte nach seinem Sohn Markus, der sich wie die meisten Männer aus Gjendesheim Lucius angeschlossen hatte. Er

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