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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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hinter sich, rief einen Befehl, langsamer zu machen. Links stolperte einer der Krieger und stürzte ein paar Meter nach unten, doch nicht einmal darauf reagierte der Feind. Kein Speer, kein Pfeil kam geflogen, um den Pechvogel zu töten.
    Schließlich erreichte Ronan den Fluss. Plötzlich wechselte das dumpfe Pochen der Pauken zu einem irren, rasenden Rhythmus. Und jetzt erwachte auch der feindliche Schildwall zum Leben. Die Fomorer brüllten und schrien, wie übergeschnappt, wie am Spieß, völlig unmenschlich. Ronans Herz begann im Gleichtakt zu den Pauken zu rasen. Das Geschrei, die Trommeln, die Angst zerrten an Ronans Nerven. Vergessen waren Cintorix’ Worte, vergessen war die pathetische Dudelsackmusik, sie existierten nur noch in einem Gedächtnis, zu dem Ronan den Schlüssel nicht mehr fand. Das Einzige, was in diesem Moment noch real war, war der Schildwall oben auf dem Hang mit seinen johlenden Fomorern.
    Mit aller Kraft stemmte Ronan sich gegen die Furcht. »Weiter, Männer!«, schrie er und tat den ersten Schritt ins Wasser.
    Der Fluss war eisig kalt. Ronan knirschte mit den Zähnen, als sein Stiefel voll Wasser lief. Er ging zwei Schritte weiter und stellte fest, dass der Fluss nicht tiefer wurde als bis zu seinen Knien. Er warf einen Blick über die Schulter, sah seine Männer noch immer am Ufer stehen. »Folgt mir!«, schrie er noch einmal. »Los, Brandan!Oran! Seid keine Feiglinge! Weiter!« Seine beiden Schildgefährten zögerten noch kurz, nahmen sich dann aber ein Herz und stiegen hinter ihm in das Flussbett. Die Scham darüber, vor dem gesamten Heer als Feiglinge gerufen zu werden, war stärker als die Angst.
    Ronan ließ sich Zeit, den Fluss zu durchwaten. Zum einen war das Geröll unter der Wasseroberfläche grob und wackelig, zum anderen wollte er die Männer aufschließen lassen. Es dauerte, bis weitere Krieger den schweren Schritt nach vorne wagten, und Ronan wollte nicht alleine den Hang stürmen.
    Als sie etwa die Mitte des Flussbettes erreicht hatten, toste das Gebrüll der Fomorer plötzlich erneut auf. Unter Johlen und Kreischen richteten sie ihre Banner auf – oder das, was Ronan im ersten Moment für ihre Banner hielt. Doch statt der bunten Tücher und den Abzeichen ihrer Schatten hatten sie zerfledderte Vogelscheuchen an die Querstangen der Bannermasten gehängt. Die Fomorer tobten ekstatisch, öffneten den Zusammenhalt ihrer Schilde, um ihre Waffen dagegenzuschlagen, ohne darauf zu achten, dass weiter Pfeile auf sie niederfielen. Ronan sah ein paar von ihnen zu Boden gehen, doch der Rest schien es nicht einmal zu bemerken.
    Nein. Ronan hielt inne. Es waren keine Vogelscheuchen.
    Ronan erstarrte. Es waren
Menschen
! Grausam verstümmelte Menschen, die einen unvorstellbar qualvollen Tod erlitten hatten. An den Bannerpfählen hingen nackte Frauen mit abgeschnittenen Brüsten und aus der Scheide ragenden Dolchen, Männer mit abgerissenem Unterleib und in der Luft baumelndem Gedärm, Kinder, die … Und das Schlimmste: Die armen Kreaturen bewegten sich noch, von einem düsteren Zauber trotz der unmenschlichen Verletzungen am Leben gehalten!
    Ronan würgte, schluckte das Erbrochene, das er plötzlich im Mund hatte, zurück. Der Vormarsch stockte erneut. Gestandene Krieger ließen –
fünfzig Meter vor dem Feind!
– ihre Schilde sinken und kotzten. Als die ersten sauer riechenden Brocken vom Flussum seine Beine gespült wurden, kostete es Ronan alle Selbstbeherrschung, es ihnen nicht gleichzutun.
    Plötzlich, von einem Moment auf den nächsten, verstummten die Paukenschläge, verstummte das Geschrei, und eine Todesstille trat ein, nur vom Würgen einiger Kelten gestört. In den Reihen der Fomorer öffneten sich Gassen. Die Männer, die dort zum Vorschein kamen, trugen Bögen, die Pfeile bereits auf die Sehne gelegt. Plötzlich war die Luft angefüllt vom hundertfachen Surren der Bogensehnen.
    Ronan zuckte zusammen, riss den Schild nach oben. Für einen Warnschrei war es zu spät –
viel
zu spät. Die Pfeile schlugen ein, gruben sich mit schmatzendem Geräusch in Fleisch, splitterten an Rüstungen und Helmen, bohrten sich mit dumpfem Aufschlag in Schilde.
    Dann stürmte der Gegner vor. Die Fomorer ergossen sich den Abhang herab wie Wasser aus einem geborstenen Staudamm. Ihr Gebrüll trieb sie voran, das Rasen der Pauken spornte sie noch zusätzlich an.
    »HALTEN!«, brüllte Ronan entsetzt. »HALTEN! SCHLI ESST DEN WALL!« Es waren – bestenfalls! – noch zwanzig Meter, als Ronan

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