Schattenkrieg
folgte ein weiterer Schlag. Dann noch einer.
Paukenschläge!
Die Erkenntnis ließ die dumpfen Schläge nicht weniger unheimlich erscheinen. Ihr Rhythmus beschleunigte sich langsam, und gleichermaßen stieg seine Angst. Ein Schauder lief ihm über den Rücken. Doch der feindliche Schildwall lag immer noch völlig tatenlos und eisern schweigend vor ihnen. Wenn die Fomorer tatsächlich so entschlossen waren, wie es den Anschein erweckte, würde es extrem schwierig werden. Oder waren sie deshalb so ruhig, weil ihre Reihen gar
nur
noch aus Toten bestanden?
Kein schöner Gedanke …
Vierhundert Meter.
Vor ihm lag eine kleine Anhöhe, hinter der er den Feind aus den Augen verlor. Der Wall kam etwas aus der Ordnung, als sie einem Viehzaun gegenüberstanden. Ronan schlug ihn mit dem Streithammer in Stücke, aber an anderer Stelle mussten Wege außen herum gefunden werden. Der irritierende Paukenschlag war inzwischen noch schneller geworden, schneller als der Marschtakt der Dudelsäcke, und es war schwierig, sich nicht ihrem unheimlichen Rhythmus anzupassen. Aber Ronan riss sich zusammen, zwang sich zu langsamen Schritten. Schneller zu gehen würde bedeuten, den Schildwall in einen Keil zu verwandeln, was so ziemlich das Letzte war, das er wollte. Mit zittrigen Knien und pochendem Herzen überstand er die nächsten hundert Meter.
Dreihundert Meter … so weit, wie ein Jagdbogen schießt, wenn man ihn bis zum Äußersten anspannt.
Natürlich konnte man auf diese Entfernung nicht sonderlich zielen, aber es brauchte auch keine besondere Zielgenauigkeit, um in einen Pulk von zwanzigtausend Männern hineinzuschießen. Wenn sich die Bogenschützen der Nain direkt hinter ihren Reihen versteckt hatten, konnte es jederzeit losgehen!
»SCHILDE!«, brüllte Ronan. Er nahm gleichzeitig seinen eigenen Schild nach vorne.
Schließlich erreichten sie die Anhöhe und bekamen den Blick wieder frei auf die Masse des feindlichen Heers. Die Nain reagierten endlich: Ronan sah, wie Helme aufgesetzt, Schilde angehoben wurden. Der feindliche Schildwall sah nun auch endlich so aus wie ein Schildwall.
Hinter ihnen eröffneten die keltischen Schützen das Gefecht. In hohem Bogen schossen die Pfeile über sie hinweg und prasselten auf das gegnerische Zentrum. Die meisten bohrten sich in die schnell nach oben gewandten Schilde, aber offenbar fanden einige ihr Ziel. Ein paar Schmerzensschreie drangen durch die Nebel und ließen Ronan aufatmen – also waren es nicht
nur
Untote auf der anderen Seite!
Schließlich kam Ronan an den Abhang. Er war völlig überwachsen von Heckenrose und Schneeballgebüsch und fiel über etwa zwanzig Meter hinweg steil nach unten ab. Das Flussbett war breit und voller Geröll und jetzt zur Zeit der Schneeschmelze vollständig mit Wasser ausgefüllt. Ebereschen und Pappeln wuchsen an seinen Ufern und waren zusätzliche Hindernisse. Auf der anderen Seite stieg der Hang wieder an, doch war diese Seite nicht bewachsen und offenbar von Vieh begrast worden. Darüber wartete die feindliche Armee, Schild an Schild aneinandergereiht. Ronan war jetzt nahe genug, um ihre Gesichter sehen zu können und ihre Ausrüstung. Es waren Afrikaner und Europäer, Männer und Frauen, Junge und Alte. Es war ein ganzes
Volk
von Fomorern, was ihnen da gegenüberstand, besser ausgerüstet als das Heer vor zehn Jahren, mit hölzernen Schilden, ledernen Rüstungen und Klingen aus Stahl. Ihre Disziplin war tadellos. Keiner rührte sich. Keiner sagte etwas. In ihren Gesichtern stand blanker, lodernder Hass.
Ronan sah angestrengt nach links, wartete, bis die Waliser und Helvetier aufgerückt waren. Dann machte er sich an die mühsame Arbeit, den Hang hinabzuklettern. Das Gebüsch war dicht, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Streithammer einpaar Mal vor sich hin- und herzuschwingen, um sich Platz zu machen. Knackend und splitternd brachen Äste und Stämme unter seinen Hieben, raschelnd fielen Zweige voller Blätter und weißer Blüten. Die Männer zu seinen Seiten folgten seinem Beispiel und benutzten ihre Klingen als Haumesser. Dies alles geschah so nahe an dem feindlichen Schildwall, dass sich Ronan dazu verleitet fühlte, seinen Männern eine Warnung zuzurufen, ihre Deckung nicht zu vernachlässigen. Irgendwann
mussten
die feindlichen Bogenschützen auftauchen …
Vorsichtig kletterte er nach unten, Schritt für Schritt mit dem Fuß den Boden prüfend, bevor er sein ganzes Gewicht folgen ließ. Er spürte den Druck der Schilde
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