Schattenkrieg
Sonne ihren höchsten Punkt erreicht hat, werden sie laufen wie die Hasen! Zum Angriff, Männer! Voran! Voran!«
Auf ein Zeichen hin schwenkte Drusus die Flagge, die er bei sich trug, eine grüne Flagge mit einem weißen Pferd darauf. Die Dudelsackbläser erkannten das Signal und begannen, ihre wimmernde, winselnde Marschmusik zu spielen. Während sich die Armeein Gang setzte, folgte Baturix dem Fürsten, der zur Seite davonritt.
Es hatte begonnen.
»Es ist so weit«, murmelte Ronan leise, für die Ohren seiner Nachbarn bestimmt. Langsam zog er sich den Helm auf, ein gewöhnlicher Topfhelm, mit Nacken- und Wangenschutz, aber ohne den Nasenschutz, wie er für die germanischen Helme typisch gewesen wäre. Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass seine Bretonen seinem Beispiel folgten.
»Vorwääääärts!«, brüllte er, »MARSCH!« Ronan ging los, im Takt des langsam gespielten Marsches der Dudelsäcke und Trommeln. Er wählte kleine Schritte. Der Flussgraben lief im spitzen Winkel zum keltischen Schildwall, so dass die Männer links von ihm einen weiteren Weg zu gehen hatten als er selbst, um die feindliche Linie zu erreichen.
Zu seiner Erleichterung stellte er fest, dass der Boden auch weiterhin trocken war. Die Grasnarbe auf den Wiesen war fest und stabil, ein guter Boden für einen Marsch wie für einen Kampf. Ronan hoffte, dass die Hänge am Fluss genauso trocken waren und nicht sumpfig.
Die ersten hundert Meter wurde er getragen von der Musik, den stolzen Märschen der britannischen Kelten, zu denen letztendlich auch die Bretonen gehörten. Doch je näher er dem feindlichen Schildwall kam, desto mehr schien die Dudelsackmusik zu verblassen, während die Angst erneut in seinem Hals emporkroch. Die Fomorer warteten in einem geradezu unheimlichen Schweigen auf sie. Ihre Schilde lagen noch auf dem Boden, ihre Helme hingen noch an ihren Gürteln.
»Herr«, murmelte ein Mann hinter seiner linken Schulter, ein Fischer namens Kado. »Werden wir wirklich auf … auf wiederauferstandene
Tote
treffen?«
Ronan konnte beinahe
hören
, wie die Männer um ihn herum die Ohren spitzten. »Ja«, erwiderte er. »Aber habt keine Angst,man kann sie ebenso töten wie normale Fomorer. Man muss nur daran denken, dass ihnen Stöße mit den Spitzen eurer Schwerter nichts ausmachen, das ist alles.« Dies war eine wilde Vermutung, ein Gerücht aus einer Legende, die ihm Aouregan erzählt hatte. Doch es war der einzige Hinweis, den sie besaßen.
»Aber, Herr, wie wollen wir denn gewinnen, wenn sie immer wieder von neuem auferstehen?«
»Das werden sie nicht.« Ronan hoffte inbrünstig, dass dies die Wahrheit war. »Es dauert mehrere Stunden, einen Toten zu erwecken.«
Für einen Moment wünschte er sich fast, die Männer würden ihm weitere Fragen stellen, das würde ihn ablenken von der wahnsinnigen Angst, die er empfand …
Sechshundert Meter noch, das stehst du durch!
»Das sind Frauen!«, rief der Mann rechts von Ronan, Brandan, plötzlich aus. »Die haben Frauen im Schildwall!«
»Das ist gut«, erwiderte Ronan. »Frauen haben nicht so viel Kraft wie Männer. Das macht die Sache einfacher.«
Brandan, der einmal ein Waldläufer gewesen war, grinste wölfisch.
Ha!
dachte Ronan jedoch bei sich.
Nichts
würde das einfacher machen … viele seiner Kämpfer würden Hemmungen haben, eine Frau anzugreifen! Sie würden zögern, und dieses Zögern würde Menschenleben kosten.
Verdammte Schatten!
Die Nervosität wurde größer. Ronan verspürte plötzlich den schrecklichen Drang, seine Ausrüstung zu kontrollieren. War auch wirklich jede der zahllosen Schnallen seiner Rüstung geschlossen, jede Schnur sorgfältig verknotet? War der Riemen seines Helmes fest? Und hatte er alle Anweisungen ausgegeben? Musste er Fagan noch einmal erklären, wie wichtig es war, dass das Banner immer und jederzeit weit sichtbar sein musste? Oder seine Schildnachbarn darauf hinweisen, dass sie immer an seiner Seite zu bleiben hatten? Das Räderwerk der Schlacht war losgetreten, und Ronan hatte das Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben, etwas, was ihnen allen zum Verhängnis werden konnte!
Weiter aufs Ziel zu
, redete er sich ein,
nicht stehenbleiben! Es sind noch fünfhundert Meter!
Von der anderen Seite des Tals kam plötzlich ein tiefer, dumpfer Schlag, der die Musik ihrer eigenen Dudelsäcke und Trommeln übertönte. Ronan zuckte zusammen, zwang sich aber, weiterzulaufen. Er spürte die Unruhe, die die Männer befiel. Es
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