Schattenkrieg
Waldläufern da draußen im Niemandsland mehr für unsere Sicherheit tue als irgendein anderer Bretone!«
»Und ich werde das nie vergessen. Ohne dich hätte es die Schlacht von Trollstigen nie gegeben. Und trotzdem –«
»Mein Bruder wird, wenn seine Zeit gekommen ist, ein besserer Häuptling werden, als ich es je sein könnte!«
Der Alte runzelte die Stirn. »Ronan ist in manchen Dingen besser als du, zum Beispiel darin, den Zorn, den ihr von eurem Vater geerbt habt, zu unterdrücken. Er leistet gute Arbeit im Rat, er ist ein gerechterer Richter, als ich es mir bei einem Heißsporn wie dir je vorstellen könnte. Sein Pfad ist der eines Kriegers, selbst wenn erständig versucht, auf den eines Tiermeisters umzuschwenken. Aber er ist keine Eiche.
Du
bist der geborene Anführer für unser Volk!«
Derriens Zorn wuchs. Er stritt oft mit Ronan – doch egal, wie unterschiedlich sie auch waren, sie waren
Brüder
. »Der Pfad des Tiermeisters«, rief er wütend, »hat ihn immerhin zur Wetterzauberei gebracht! Wir verlieren weniger Fischkutter an die See als die anderen Stämme, von den momentanen Problemen mit dem Phantom einmal abgesehen. Seine Nähe zum Meer erbringt uns die größten Fischfangerträge im Ratsgebiet!«
»Natürlich«, giftete der Alte. »Ich werde Ronans Wert nie unterschätzen. Er gibt den besten Landhüter ab, den man sich vorstellen kann. Aber ich brauche keinen
Landhüter,
sondern einen
Nachfolger,
und da wäre mir jemand recht, der etwas
kriegerischer
eingestellt ist als dein Bruder!«
Derrien biss sich auf die Lippen. Mühsam brachte er sein Temperament wieder unter Kontrolle. Seine letzten Worte hatte er beinahe geschrien, und eine solche Respektlosigkeit konnte er sich dem Häuptling gegenüber eigentlich nicht leisten. »Auf Trollstigen und am Jostedalgletscher hat mein Bruder gezeigt, wie kriegerisch er sein kann«, murmelte er.
»Ja, da hatte er auch mit dem Rücken zur Wand gestanden. Weißt du, dass er mir von sich aus nichts von deiner letzten Warnung erzählt hätte?«
Derrien fuhr auf. »Dieser Narr!« Vor einem Monat hatte er Ronan zuletzt besucht und ihn gebeten, sich mit seinem Bericht über die Schattennebel an Nerin und den Fürstenrat zu wenden. Derrien hatte jedoch die Nacht über nicht schlafen können und deshalb beschlossen, selbst mit dem Häuptling zu sprechen. Wie es schien, war es das einzig Richtige gewesen. Ronan hatte nichts unternommen.
Zum Glück ließ der Alte den Fluch gegen seinen Bruder unkommentiert. Stattdessen meinte er bloß: »Ich nehme an, dass dich auch das nicht überzeugen wird, zurück nach Bagbeg zu kommen?«
Derrien schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
Der Alte zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck aus seinem Krug. »Und nun«, erklärte er dann, »möchte ich wissen, warum du gekommen bist. Du warst erst letzten Monat hier, es muss einen besonderen Grund geben.«
»Meine Männer haben am Nordufer des Sognefjords zwei Fomorer aufgegriffen. Ihre Ausrüstung war sehr gut: Pferde, Nahrung für mehr als zwei Wochen, Jagdbögen, Klingen aus Eisen.«
»Kundschafter?« Nerin warf ihm einen besorgten Blick zu.
Derrien nickte. »Kundschafter.«
Er musste nicht weiterreden. Der Alte hatte genug Kriegserfahrung, um zu wissen, was
das
zu bedeuten hatte. Die Schatten waren stark geworden. Ein Späher so weit von zu Hause entfernt ließ darauf schließen, dass sie inzwischen eine große Menge an Fomorern zur Verfügung hatten. Einem Späher eine solche Ausrüstung mitzugeben hieß, dass es ihnen auch daran nicht mangelte. Die Schatten hatten ihre Armee bereits zusammen.
Der Alte starrte eine lange Zeit nachdenklich ins Feuer. In seinen Augen spiegelten sich die Flammen.
Derrien leerte seinen Krug und lehnte sich in seinem Stuhl zurück, mit den Gedanken bereits bei den Planungen für die nächsten Wochen. Er würde ein paar zusätzliche Männer zu Pilix schicken, der den Sognefjord beobachtete. Das Feldlager musste weiter nach Süden verlegt werden. Und er war gespannt darauf, was Quintus von seiner Patrouille am Jostedalsbreen erzählen würde. Ob er wohl auch Fomorern begegnet war?
»Dein Bruder fürchtet dich als Überbringer schlechter Neuigkeiten«, murmelte der Alte, gerade als Derrien geglaubt hatte, dass er eingeschlafen war. »Du weißt, dass er nicht unrecht hat damit.«
Derrien nickte.
Er
war es schließlich gewesen, mit dessen Warnung bereits der
letzte
Krieg begonnen hatte. »Ich tue, was getan werden muss. Das bringt
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