Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
Vom Netzwerk:
durch die Krümmung des Fjords verdeckt war. Die heilige Insel der Bretonen war hell erleuchtet von den Samhain-Feuern. Nur zu gut konnte er sich das Fest dort vorstellen, den Bratenduft in der Nase und die Musik im Ohr, die lachenden jungen Mädchen beim Tanze …
    Er hielt inne und schloss die Augen.
    Großer Adler, Herr der Himmel, Gebieter der Wolken! Luft unter Deine Schwingen und Beute in Deine Klauen! Ich bin nur ein Nichts, an den Boden gefesselt, die Weiten der Lüfte ersehnend! Gewähre mir einen Blick durch Deine Augen!
    Derrien spürte, wie ihn Magie durchströmte, als er den Zauber sprach. Dann öffnete er wieder die Augen. Ein einziger Gedanke ließ die Insel plötzlich näher rücken, bis er die vielen Menschen um das Feuer herum erkennen konnte. Er sah die Musiker mit ihren Harfen und Sackpfeifen, die tanzenden Jungen und Mädchen im Kreis um die Flammen, in denen die Samhain-Fratzen verbrannt worden waren, die Druiden in ihren weißen Zeremonienkleidern. Für einen Augenblick glaubte er sogar, seinen Bruder erkannt zu haben, doch er täuschte sich – es war der Landhüter Kongar, der ihm in der unförmigen weißen Kutte ein bisschen ähnlich sah. Der sonst fröhliche, etwas verschrobene Druide hatte eine sorgenvolle Miene aufgesetzt, die diese Ähnlichkeit zu Ronan noch unterstrich – wahrscheinlich fürchtete er bei all den ungewohnten Feuern auf seiner Insel um den heiligen Hain.
    Mit einem Schnauben ließ Derrien den Zauber fallen. Er hatte keine Zeit für solche Spielchen und musste weiter. Sein Ziel lag noch ein wenig weiter den Hang entlang, wo am Fuße einer aus dem Berghang aufragenden Felsnadel eine steinalte, mindestens fünfzig Meter hohe Weißtanne ragte, umgeben von einer Gruppe kleinerer Fichten.
    Die Aura von Magie umspülte ihn, sobald er die ersten Bäume erreicht hatte. Dies war ein heiliger Ort. In dem Baum lebte ein alter, mächtiger Geist, der sich noch an Tage erinnern konnte, als es noch keine Wikinger in Norwegen gegeben hatte. Es war ein Wächtergeist, der dieses Heiligtum bewachte, so wie Nerins Wächter die Stadt behütete, nur ungleich stärker.
    Derrien gestattete es seiner Seele, sich für einen kurzen Augenblick der Mystik dieses Ortes zu öffnen. Er sank in die tieferen Schichten der Magie und fühlte dort noch weitere, noch größere magische Entitäten neben sich auftauchen: der schlafende Geist des Berges, gegen dessen Ungeheuerlichkeit selbst die Präsenz des Baumgeistes verblasste wie ein Streichholz im Wind, und die Geister der Stürme, fern und verschwommen.
    Es kostete Mühe, sich aus der Umarmung der Magie zu befreien und solch großartige Wesen hinter sich zu lassen, nur um sich wieder auf diese Welt und ihre leidigen Problemchen zu konzentrieren. Es dauerte einen Moment, bis es Derrien gelang, die Perspektive zurückzugewinnen. Dann war er wieder er selbst.
    Wie alle Orte von solcher magischen Aktivität war auch dieser hier eine Pforte, durch die Druiden – und Schatten – zwischen der Außen- und der Innenwelt wechseln konnten. Derrien war jedoch nicht deshalb hierhergekommen. Diese Pforte war zugleich ein ausgezeichnetes Versteck, da nur Druiden und Waldläufer von ihr wussten.
    Er stieg vom Pferd und führte es am Zügel um die Klippe herum. In deren Basis befand sich ein mit Fellen verhangener Eingang. Als er die Felle zur Seite schob, quoll ihm ein Schwall warmer, nach Pferdemist stinkender Luft entgegen.
    Vor ihm öffnete sich eine geräumige Felsenhöhle. Vier Männer saßen auf dem Boden und löffelten Eintopf aus ihren Tellern. Der dazugehörige Topf hing in ihrer Mitte über einem Lagerfeuer. Derrien zählte fünf Pferde, dazu ein ganzes Sammelsurium an Decken, Sätteln, Taschen, Rucksäcken, Rüstungen und Waffen.
    Zwar hatten die Kelten bisher weder Pforte noch Höhle entdeckt,aber die Germanen vor ihnen hatten sie gekannt und genutzt. Von ihnen stammten die große steinerne Pferdetränke, die eisernen Ringe, an denen die Pferde festgebunden waren, die Feuerstelle und die schwarz verfärbten Wände. Unter dem Ruß waren noch die Malereien zu erkennen, mit denen die Germanen die Höhle geschmückt hatten: Wikingerboote und Streitäxte, Drachen und Bändermuster. Doch seitdem die Germanen ausgelöscht waren, war dieser Ort verlassen. Nur Waldläufer verirrten sich noch hierher.
    Die Männer sprangen auf, als sie ihn sahen. Drei von ihnen trugen graublau karierte Großkilts. Sie waren MacRoberts und hatten Derrien hierher begleitet: Sheridan,

Weitere Kostenlose Bücher