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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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im Nebel.Keelin half dabei, Teague auf eine Trage zu heben. Als sie damit fertig waren, bemerkte sie, dass Brynndrech verschwunden war. »Pass gut auf ihn auf«, meinte sie zu Scott und deutete auf die Trage, während sie sich auf die Suche nach dem Waliser machte. Sie hatte schon eine Vermutung, wo sie ihn finden würde …
     
    Brynndrech lehnte mit dem Rücken zu ihr auf dem Rand eines aufgestellten Schildes. Um ihn herum lagen haufenweise tote Iren, vermutlich die Männer, an deren Seite er gekämpft hatte. Er hatte Dempseys Banner aufgehoben und in den Boden gerammt. Das ehemals grüne Tuch hing schwer in der Luft; das Blut, mit dem es sich vollgesogen hatte, rann langsam am Schaft herab. Brynndrechs Kopf war auf seine Brust gesunken.
    Keelin trat hinter ihn und legte ihre Hand auf seine Schulter. Er reagierte nicht darauf; stattdessen schien seine Konzentration vollständig auf den Gegenstand gerichtet, den er in der Hand hielt – ein Dolch, den er hin und her drehte und nachdenklich betrachtete. Seine andere Hand hielt eine metallene Scheide, die wohl zu der Waffe gehörte. Beide Teile waren hervorragend verarbeitet und aufwendig verziert. An den Wellen und ineinander verflochtenen Bänderungen der Klinge erkannte Keelin, dass es eine Druidenwaffe war. Dempseys, vermutete sie.
    Eine ganze Zeitlang sagte sie nichts. Sie wusste nicht, was sie sagen
konnte
, um Brynndrech in seiner tiefen Verzweiflung zu erreichen. Schließlich entschied sie sich für die feige Variante – sie sprach ihn gar nicht darauf an. »Wie bist du entkommen?«, fragte sie stattdessen.
    Der Waliser reagierte zuerst wieder nicht, und Keelin befürchtete schon, ihn gar nicht mehr zum Sprechen zu bringen; doch dann begann er stockend mit der Antwort: »Als Dempsey gefallen ist, ist der ganze Schildwall … zerbrochen … Er war … es gewesen, der … ihn zusammengehalten hat, nachdem wir … abgeschnitten worden waren. Es war ein …« Brynndrech schloss die Augen, atmete tief durch. »… ein Gemetzel. Die Untoten waren …überall … und Fomorer und Schatten … und irgendjemand hat gerufen, ›In den Wald‹, und dann bin ich …« Langsam hob er seinen Kopf und sah ihr in die Augen. »Ich bin ein Feigling, Keelin.«
    Keelin schüttelte den Kopf. »Das bist du nicht! Du hast dich
freiwillig
für das alles hier gemeldet, erinnerst du dich? Niemand kann dir einen Vorwurf machen!«
    Brynndrech sah sich um, ließ dann den Kopf wieder sinken. »So viele Tote …«, murmelte er. »So viele, die
nichts
mit unserem Krieg zu tun haben … Weißt du, dass die meisten von ihnen erst seit ein paar Monaten in der Innenwelt waren?«
    »Nein. Wie kommst du darauf?«
    »Dempsey hat es mir gesagt, bevor die Heere aufeinandergetroffen sind. Dass es immer so ist: Die Schatten rekrutieren so lange in die Innenwelt, bis ihre Armee stark genug ist, uns anzugreifen. Sie siedeln nicht, zumindest nicht länger als zwei oder drei Jahre. Die Fomorer werden nur hierhergebracht, um für die Schatten Krieg zu führen, egal, ob Mann oder Frau oder Kind …« Er schnaubte. »Sie sind völlig unschuldig! Unsere häufigsten Feinde, die Fomorer, sind
völlig – unschuldig
! Und wir – wir töten sie, wenn wir auf sie treffen! Was glaubst du, wie viele Tote hier auf dem Schlachtfeld liegen, Keelin? Zehntausend? Mehr?«
    »Ich weiß es nicht, Brynndrech. Aber –«
    »Es waren
Menschen
, Keelin, nicht viel anders als du und ich! Und jetzt sind sie
tot
! Sie werden nie wieder lachen oder Spaß haben oder lieben oder … oder …« Seine Stimme endete in einem Schluchzen.
    Keelin starrte ihn an. Er beschwor die Dämonen, die sie mühsam in eine Ecke ihres Verstandes verbannt hatte, als sie das Schlachtfeld betreten hatte. Sie hätte nicht arbeiten können, wenn sie sich diesen Gedanken ständig vor Augen gehalten hätte. Vor allem hätte sie niemanden
umbringen
können …
    »So darfst du nicht denken!«, beschwor sie ihn. »Sonst drehst du durch! Du darfst das nicht an dich heranlassen!«
    »Aber … diese vielen
Menschen
! Alle tot …«
    »Die Toten sind tot, daran kannst du nichts mehr ändern! Vergiss die Toten! Die
Lebenden
brauchen –«
    Keelin kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu Ende zu sprechen. Der Waliser sprang auf und wirbelte herum. Mit beiden Händen packte er sie an ihrer Jacke, hob sie dicht vor sein Gesicht. »Die Toten sind tot – wie
kannst
du nur?«, schrie er sie an. »Wie
kannst
du nur über dieses Schlachtfeld gehen, ohne sie zu sehen, ohne an sie

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