Schattenkrieg
besonders groß gewesen sein. Der Körper steckte in einem aufwendig verzierten Schuppenpanzer, der dem Toten offenbar ebenso wenig geholfen hatte wie die stählernen Arm- undBeinschienen. Dies musste Dempsey sein, der kleine Irenhäuptling, über den Brynndrech in den letzten Tagen so bewundernd berichtet hatte; nun war er tot, tot wie so viele andere auch. Keelin sah sich nach seinem Kopf um, fand jedoch nichts. Sollte es den Nain gelungen sein, ihn trotz des Chaos mitzunehmen? Wahrscheinlich bedeutete es für sie großen Ruhm, einen Druidenhäuptling erschlagen zu haben.
Hinter sich hörte sie das Schmatzen und Platschen von Schritten im Schlamm – schwere, langsame Schritte.
Hat nicht irgendjemand gesagt,
schoss ihr durch den Kopf,
dass sich die Untoten so langsam und schwerfällig bewegen?
Sie wirbelte herum und zog ihren Dolch, sich plötzlich bewusst werdend, dass sie das Kurzschwert doch nicht hätte ablehnen sollen, als es ihr von einem der Heilerdruiden angeboten worden war.
Eine massige Gestalt schälte sich aus dem Nebel. Sie war groß, gedrungen, mit breiten Schultern …
und einem missgestalteten Rücken!
Sie ließ erleichtert den Dolch sinken. »Brynndrech!«, rief sie, völlig überrascht, ihn hier zu sehen, und dies aufrecht und lebendig!
»Hallo, Keelin«, murmelte der Waliser, ohne sie anzusehen. Seine Augen fielen auf Dempseys kopflose Leiche. Ohne Keelin weiter zu beachten, ließ er sich mit einem Seufzer vor dem Toten in den Dreck sinken.
»Brynndrech«, flüsterte Keelin, doch der reagierte gar nicht darauf. »He, Brynndrech!«
»KEELIN!«, gellte eine Stimme aus dem Nebel. »Herrin, HILFE!«
Keelin schrak auf. Plötzlich hatte sie keine Zeit mehr, auf Brynndrech einzugehen. »Komm mit!«, rief sie und rannte los. Auf den ersten paar Metern rutschte sie beinahe aus, als sie mit dem Fuß irgendetwas Weiches erwischte, und wollte gar nicht wissen, was es gewesen war; danach lief sie etwas vorsichtiger. Unterwegs riss sie erneut den Dolch aus der Scheide.
Der Schrei hatte verdammt dringend geklungen. Wurde der Mann von Untoten angegriffen? Oder waren von irgendwoherFomorer aufgetaucht? Der Nebel war inzwischen so dick geworden, es war durchaus vorstellbar, dass sich eine Meute dieser Kerle über das Schlachtfeld schlich, ohne dass jemand sie bemerkte.
Doch als sie bei dem Rufer – Scott MacNevin, einer ihrer Helfer – ankam, kämpfte niemand. Stattdessen waren er und zwei weitere damit beschäftigt, einen toten und bereits steif gewordenen Körper von einem Verwundeten zu heben.
Keelin lief zu dem Verletzten. »Wie geht es?«, fragte sie, während sie ihn von oben bis unten ansah.
Der Mann war noch jung, wahrscheinlich nicht älter als achtzehn. Er versuchte eine Antwort, doch außer dem Wort »Pfeil« verstand sie sein Röcheln nicht. Dann hustete er, spuckte Blut.
Sie nickte. Das Geschoss hatte ihn auf der rechten Seite erwischt, direkt unter dem Arm. Er trug eine stählerne Rüstung, mit Brust- und Rückenplatte, doch der Pfeil hatte genau den Zwischenraum getroffen. Wie viel Pech konnte man haben in seinem Leben?
»Herrin«, flüsterte Scott, »ich denke, das ist ein Druide!«
»Ja?« Keelin sah den Mann noch einmal an. Sie kannte ihn nicht, doch das musste nichts heißen; sie hatte in den Wochen bei der Armee bei weitem nicht alle Druiden kennengelernt. Ihr Blick fiel auf ein Banner, das drei Meter weiter am Boden lag, ein gelbes Tuch, dessen Symbol sie momentan nicht erkannte.
Keelin sah sich zu Brynndrech um, der ihr tatsächlich gefolgt war. »Ist das ein Druide?«, fragte sie ihn.
Brynndrech nickte. »Teague o’Fionn.«
Sie warf noch einmal einen Blick auf den Pfeil. Er hatte schwarze Federn. Sie beugte sich nach unten zu Teagues Ohr und murmelte: »Kannst du spüren, dass dein Körper die Wunde heilt?«
»Nein«, stöhnte der Mann. »Das … ist ein … Schatten… pfeil …«
Verdammt.
Sie sah auf. »Scott!«
»Herrin?«
»Diese Wunde geht über meine Kräfte. Lauf, so schnell du kannst. Suche nach einem der beiden Großen und bring ihn her!«
»Bin unterwegs.« Der Schotte sprang auf, verschwand im Nebel.
Keelin tastete nach der Hand des Verwundeten und ergriff sie. Sie fühlte seinen Puls; er war schnell und kraftlos. Sein Gesicht war blass und verschwitzt.
Schock
, dachte sie.
Wie so viele andere heute. Wenn Teague kein Druide wäre, müsste ich ihn töten …
Sie schüttelte den Kopf. Was für eine Zweiklassengesellschaft die Innenwelt doch war! Mit
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