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Schattenkrieg

Schattenkrieg

Titel: Schattenkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Saumweber
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ausharren musste oder eine oder gar fünf …
     
    Sie musste eingeschlafen sein. Jedenfalls hatte sie die Schritte nicht kommen hören. Jetzt waren sie ganz nahe, schwere Stiefel hallten unwirklich auf den Gitterböden. Veronika gefror das Blut in den Adern. Zu viele Schritte. Das war keine Wächterin auf Rundgang.
    Das ist die Meute.
    Sie sah ihre Umrisse durch die Gittertür. Sie standen eine Zelle weiter, einer von ihnen trug eine schwere Taschenlampe auf der Schulter und leuchtete damit in die Nachbarzelle. Sie unterhielten sich gedämpft.
    Veronika spürte, wie ihr der Schweiß ausbrach. Ihr Gefahrensinn erkannte die Männer ganz deutlich als Bedrohung. Ob das bedeutete, dass
sie
ihr heutiges Opfer sein würde …?
    Die Männer schienen mit der Auswahl nicht zufrieden zu sein. Leise murrend zogen sie weiter.
    Zu
ihrer
Zelle.
    Sie musste die Zähne zusammenbeißen, um sie am Klappern zu hindern.
Kühlen Kopf bewahren!
sagte sie sich.
Es geht vorüber!
Ob sie damit jedoch die Männer meinte oder die Vergewaltigung, wusste sie selbst nicht.
    Der Strahl der Taschenlampe richtete sich zuerst auf Nicole, die unter Veronika schlief. Er verweilte nicht lange dort, Nicole war eine Frau, die ein Leben lang mit der Gewalt gelebt hatte. Sie trug die Spuren dieses Lebens im Gesicht. Dies kam ihr wohl nun zugute.
    Der Strahl glitt hinüber zu Petra. Veronika sah ihr Gesicht im Kegel der Taschenlampe, fast vollständig von wirren braunen Strähnen bedeckt. »Verpisst euch!«, fluchte sie halblaut.
    »Oho! Hört euch die an!«, murmelte einer der Männer.
    Die Stimme klang jung.
Zu jung
, dachte Veronika,
für einen Mann, der gekommen ist, um jemanden zu … zu …
Jetzt, wo die Gefahr so direkt vor ihr stand, gelang es ihr nicht einmal mehr, das Wort zu
denken …
    »Lass gut sein«, sagte eine andere Männerstimme halblaut. »Die kenn ich. Die haben sie einmal zu oft gefickt. Die hat inzwischen
Spaß
daran …«
    »Arschloch«, murrte Petra. Veronika hielt den Atem an, doch die Männer zuckten nur mit den Schultern. Vielleicht verdarben ihnen die herben Worte die Lust …
    Der Strahl wanderte weiter zu Mareike. Blieb dort hängen, anMareikes glatzköpfigem Schädel, dem bleichen Gesicht mit den hohen Wangenknochen und den großen, angsterfüllten Augen.
    »Name?«, fragte eine neue Stimme barsch.
    »Mar … Mareike … Blohm«, erwiderte Mareike zitternd.
    »Blohm …« Papier raschelte. »Blohm, da haben wir’s. Hat ihre Schwiegermutter vergiftet …«
    Veronikas Angst war so groß, dass sich ihr Magen jäh und schmerzhaft zusammenkrampfte.
Bitte, nehmt sie und nicht mich!
flehte sie in Gedanken.
Bitte, bitte, bitte!
    Ein grelles Licht blendete sie plötzlich, trotz der geschlossenen Augen. Sie zuckte zurück.
    BITTEEE!!!!
    »Noch so’ne Glatze«, murmelte einer.
    Ein anderer – der Junge – meinte resignierend: »Ich nehm die, sonst wird’s zu spät …«
    NEIN!!!
    Dann war der Lichtstrahl verschwunden. Ihr Gefahrensinn, der gerade eben noch wie ein rotglühendes Metall in ihrem Verstand steckte, war plötzlich erloschen, obwohl schon die Schlüssel im Schloss klirrten. Veronika verstand erst, was passiert war, als die Männer eintraten und Mareike zu schreien begann.
    Er hat sie gemeint, nicht mich …
    Die Männer brauchten keine zehn Sekunden, um Mareike vom Stockbett herunterzuziehen und sie zum Schweigen zu bringen. Nach nicht einmal einer Minute waren sie verschwunden und der ganze Spuk vorbei.
    Nur Mareike fehlte.
    Betroffen starrte Veronika in den dunklen Korridor. Zwiespältige Gefühle stritten in ihr – zum einen Erleichterung, zum anderen Schrecken und Abscheu. Abscheu nicht nur vor den Wachmännern, sondern vor sich selbst.
Vor allem
vor sich selbst.
    Lieber sie … als ich!
hatte sie gedacht, als sie Mareike kassiert hatten. Nie hätte sie von sich selbst eine solche Reaktion erwartet!
    Wie schnell ein Mensch sinken kann …
    Veronika drehte sich zur Wand, schloss die Augen, hoffte darauf, endlich einzuschlafen, damit sie die Scham nicht mehr länger spüren musste. Es funktionierte nicht. Sie war zu aufgewühlt.
    Angewidert schüttelte sie den Kopf. Schließlich drehte sie sich zurück auf den Rücken und starrte nachdenklich an die Decke einen halben Meter über ihr. Vor zwei Monaten war sie noch eine von ihren Männern angesehene Zugführerin gewesen, im Auslandseinsatz der Bundeswehr. Jetzt war sie Untersuchungsgefangene, ohne Aussicht, ihren Prozess zu gewinnen, angeklagt wegen eines brutalen

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